Die Sumpfloch-Saga Bd. 3 - Nixengold und Finsterblau
Quarzburger Boten.
Es dämmerte schon, als Duhm Vultur das Schloss von Ritter Gangwolf erreichte. Der Schlossherr sei verreist, erklärte man ihm. Doch Vultur war nicht wegen Gangwolf gekommen, sondern er wollte mit Viego Vandalez sprechen, von dem er wusste, dass er sich in Moos Eisli aufhielt. Warum das stattliche Schloss des Ritters einen so merkwürdigen Namen trug, war der Allgemeinheit ein Rätsel. Doch Viego hatte Vultur einmal verraten, dass der Name aus einer Geschichte stammte, die Gangwolf sehr liebte. Duhm Vultur kannte keine einzige Geschichte, in der ein Ort namens Moos Eisli vorkam, aber es wunderte ihn kaum, denn Ritter Gangwolf war für seine Exzentrik bekannt. Das Schloss stand voll mit sinnlosen Kuriositäten und die Dienstboten waren allesamt ausgefallene Tiermenschen oder Kreaturen aus den zwielichtigsten Kreisen. So auch der missgebildete böse Zwerg, der Duhm Vultur humpelnd in den Yetisaal führte.
„Das Mädchen ist auch da“, raunte der Zwerg, bevor er für Duhm die Tür zum Saal aufstieß. „Hübsches, kleines Ding!“
„Von wem sprichst du?“
„Na, das Mädchen. Die Diebin!“
„Berry Lapsinth-Water?“
Statt zu nicken, grinste der Zwerg auf unschöne Weise. Dass er hässlich war, dafür konnte er nichts. Dass er zu einem bösen Volk gehörte, dafür konnte er vermutlich auch nichts. Duhm Vultur sah auf seiner Schule viele Kinder kommen und gehen, die vom Rest der Welt verachtet oder gefürchtet wurden, obwohl sie eigentlich gute Geschöpfe waren. Aber dieser Zwerg hier …
„Sie würde mir schmecken“, erklärte der Zwerg. „Aber ich hab’s mir leider abgewöhnt.“
„Was?“
„Menschenfleisch zu essen“, sagte der Zwerg. Dann warf er sich mit seinem ganzen Zwergengewicht gegen die Tür, sodass Duhm in den Saal spazieren konnte.
„Danke“, sagte Duhm förmlich und trat ein. Insgeheim dachte er, dass er so einen Zwerg niemals in Finsterpfahl einstellen würde. Es wunderte ihn, dass sich Gangwolf eine solch unangenehme Gesellschaft freiwillig aufbürdete.
Das ausgestopfte Ungeheuer mit dem weißen Pelz, das dem Yetisaal seinen Namen verliehen hatte, stand aufrecht vor der großen Glasfront, die tagsüber einen herrlichen Blick über das Tal von Alabass erlaubte. Zu dieser abendlichen Stunde war es im Tal schon finster, dafür leuchtete der Himmel noch im schönsten Türkis, durchsetzt von rosaroten Wolkenschleiern.
In dem riesigen Saal brannte nur eine Lampe und die hielt der arme, ausgestopfte Yeti in seiner Pranke. Direkt unter der Lampe saß Berry Lapsinth-Water im Schneidersitz auf einem Kissen und las in einem Buch. Viego Vandalez hatte in einer dunklen Ecke Platz genommen, man sah ihn kaum. Er verschwand in der Finsternis eines hohen Sessels und wie es aussah, verbrachte er seine Zeit damit, aus dem Fenster zu starren und zu grübeln.
„Viego!“, rief Duhm Vultur, nachdem er eingetreten war und der Halbvampir nicht mal seinen Kopf nach ihm umgedreht hatte. „Wir müssen unseren Plan ändern!“
„Ich weiß es“, antwortete Viego aus seiner dunklen Ecke, ohne sich zu rühren. „Ich weiß, was du mir erzählen willst, aber der Plan wird nicht geändert. Noch nicht.“
„Es ist zu gefährlich! Muss ich dir erst als Direktor einer Schule …“
„Nein, du musst gar nichts“, unterbrach ihn Viego. „Lass mich einfach machen und lenk mich nicht ab.“
Berry hatte ihr Buch zur Seite gelegt. Wie sie so auf ihrem Kissen saß, war sie das Sinnbild reinster Unschuld: lange blonde Haare, große Augen, rosa Strickjacke. Duhm Vultur musste gleich an den bösen Zwerg denken, der hoffentlich seinen neuen Grundsätzen treu blieb. Er dachte aber auch an die dicke Akte in seinem Büro, die ihm die Augen über Berry Lapsinth-Water geöffnet hatte. Das Mädchen konnte vermutlich fabelhaft auf sich selbst aufpassen.
„Hallo Berry! Wie geht es dir?“
„Ganz gut, Herr Vultur“, sagte sie. „Und Ihnen?“
„Nun ja.“
„Es klappt nicht alles so, wie Sie sich das vorgestellt hatten, nicht wahr?“
„Ja, mein Kind.“
„Stimmt es, dass der Dämon ausgerechnet in Sumpfloch gelandet ist?“
„Leider ja. Alleine das wäre schon ein Grund, die ganze Sache abzublasen.“
Viego erhob sich aus seinem Sessel.
„Unsinn!“, erklärte er. „Wo auch immer der Dämon ist, kann er Schaden anrichten. Bist jetzt hat er keinen angerichtet.“
„Vielleicht weißt du noch nicht, was ich weiß, Viego: Grohann ist von der Regierung beauftragt worden, für
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