Die Sumpfloch-Saga Bd. 3 - Nixengold und Finsterblau
und es wird immer spannender!“
Maria erklärte dann:
„Wie gut, dass Lisandra so einen Trainer hat wie dich!“
Und er lachte dann und meinte:
„Ach, ich lerne ja auch was dabei.“
Lisandra hätte die Wand hochgehen können. Zumal Geicko über diesen sinnleeren, überflüssigen Gesprächen oft seinen Einsatz vergaß und Lisandra blöd auf ihrer Balancierstange stehen ließ, bis sie ihn daran erinnerte, wer hier eigentlich im Mittelpunkt zu stehen hatte. Bei ihm jedenfalls.
„Können wir weitermachen?“, fragte sie dann, wobei sie bemüht war, nicht genervt zu klingen.
Heimlich fragte sie sich, warum Geicko in letzter Zeit so überaus interessiert an ihren Freundinnen war. Scarlett fand er so schön, Thuna so tapfer und Maria so wahnsinnig nett. Kam der Junge in die Pubertät? Musste er jetzt unbedingt mit Mädchengeschichten anfangen? Und wenn – warum fing er dann nichts mit Lisandra an, wenn es schon unbedingt sein musste? Diese und andere Gedanken trugen dazu bei, dass Lisandra heute einen Fehler nach dem anderen machte. Es ärgerte sie maßlos und sie musste sehr an sich halten, um nicht Maria die ganze Schuld dafür zu geben.
„Lissi, Lissi!“, schrie Maria mal wieder in den höchsten Tönen und Lisandra entglitt das rostige Schwert aus dem Trophäensaal, das sie sich zum Üben ausgeliehen hatte. Sie probierte gerade aus, über welche Entfernungen sie das Schwert per Zauberkraft herbeiholen konnte. Diesmal hätte sie bestimmt einen Rekord aufgestellt, doch Marias panischer Schrei erschreckte sie und das Schwert fiel nach der halben Distanz mit lautem Scheppern zu Boden.
„Mensch, Maria!“, entfuhr es Lisandra und sie wandte sich nach der Freundin um, der sie am liebsten den Hals umgedreht hätte.
Was sie allerdings erblickte, als sie nach Maria Ausschau hielt, ließ ihre Wut schlagartig verpuffen: Vor Maria baute sich gerade ein schwarzer Löwe auf, der alles andere als lieb aussah. Maria wirkte winzig gegen ihn, was aber auch daran liegen mochte, dass sie sich duckte und so klein wie möglich machte. Der Löwe trug ein Halsband, das er gestern bestimmt noch nicht angehabt hatte, und er sah so aus, als ob er solche Mädchen wie Maria leidenschaftlich hasste. Seine Muskeln waren angespannt, er war bereit zum Sprung und gab seiner wehrlosen Beute nur noch ein paar Sekunden Zeit, sich zu Tode zu fürchten, weil ihm das so viel Spaß machte.
Lisandra handelte schnell. Mit einer konzentrierten Anstrengung und einer Prise Sternenstaub holte sie das Schwert herbei, das ihr beim letzten Versuch heruntergefallen war, und es klappte perfekt. Mit einer weiteren Bewegung schleuderte sie es Richtung Löwe, mitten hinein in sein Herz, falls er überhaupt eines hatte.
Das Schwert krachte durch den Löwen hindurch, als bestünde er aus schwarzer Luft. Doch eine Wirkung hatte es auf ihn, denn er gab einen Schmerzenslaut von sich. Wütend fasste er die Angreiferin ins Auge. Er rang mit sich: Er wollte sie gerne zerreißen, wusste aber wohl, dass er sich seine Kräfte gut einteilen musste. Geicko kam unterdessen aus der Höhe des Turms herabgeklettert und zielte mit einem Speer auf den Löwen. Selbst Maria mobilisierte ihre wehrhafte Seite und griff nach einem Messer, das Lisandra aussortiert hatte, weil es zu einer unregelmäßigen Flugbahn neigte.
Im Angesicht dreier Kinder, die ihm drohten (wenn auch mit lächerlichen Mitteln) und der Tatsache, dass er geschwächt und erschöpft war, trat der Löwe den Rückzug an. Lisandra, Maria und Geicko sahen ihm dabei zu. Sie sahen, wie er sich abwendete und langsam trottend, als befinde er sich auf einem harmlosen Spaziergang, durch die Wand verschwand.
Maria war die Erste, die ihre Sprache wiederfand.
„Danke, Lissi!“, sagte sie. „Ich glaube, du hast mir gerade das Leben gerettet!“
Der Vorfall, der sich nicht in der Welt hinter den Spiegeln, sondern in Sumpfloch abgespielt hatte, wurde sofort Grohann gemeldet. Er zeigte sich nicht sonderlich überrascht, doch verstärkte die Wachen und gab zum Mittagessen eine Warnung aus, dass die Kinder, sollten sie den schwarzen Löwen entdecken, einen riesengroßen Bogen um ihn machen sollten.
Am Abend kehrte Viego Vandalez nach Sumpfloch zurück. Er sah mager und mitgenommen aus, doch sein Gesichtsausdruck verriet nichts Außergewöhnliches. Er war grimmig und finster wie immer. Als er im Hungersaal auf seinen angestammten Platz zuhielt, sah er, dass Grohann ebenfalls im Begriff war, sich dort hinzusetzen.
Weitere Kostenlose Bücher