Die Tänzer von Arun
dem Tisch lag etwas, das er haben wollte, doch die Platte war hoch über seinem Kopf. Er hämmerte mit der Faust gegen ein Tischbein. Dabei verlor er das Gleichgewicht; er begann zu wackeln, er sah, wie ihm der mattenbelegte Boden entgegenkam, er heulte.
Plötzlich wurde er hochgehoben. Das Gesicht einer Frau lächelte auf ihn herab. Die Augen und die Haare waren braun. Sie betupfte ihm mit etwas Weichem die Wangen. »Mach auf!« sagte sie, und er öffnete den Mund. Sie steckte ihm einen Brocken Honigwabe hinein. »Solch ein Gierhals für Süßes«, sagte die Frau. Das war es, was er gewollt hatte. Der süße Geschmack stieß gegen seine Zunge, erfüllte den Gaumen. Glucksend wiegte die Frau ihn hin und her. »Er wird mir noch so fett werden, daß wir ihn schlachten und füllen werden und auffressen wie die Gans!«
Ihr Lächeln war voller Liebe. Er drängte sich an sie, spürte, wie ihr Herz pochte. Die Brüste unter ihrem smaragdgrünen Kleid waren weich und voll.
Dann verdunkelte sich das Gemach, und Kerris fühlte, wie er aus seinem Traum und aus der Kindheit erwachte. »Mutter!« rief er. Aber das Wort hatte keinen Klang. Sie verschwand. Er starrte die wollenen Wandbehänge in Sefers Kate an. Tränen liefen ihm die Nasenflügel hinunter. Er barg den Kopf auf seinem Arm.
Der Himmel wurde langsam heller. Die anderen begannen sich auf ihren Lagern zu rühren. Als der Schmerz nach einiger Zeit stumpfer geworden war, setzte Kerris sich auf. Er strich sich das Haar aus der Stirn. Die Hähne von Elath riefen aus ihren Höfen, die zögernde Sonne scheltend.
Er stolperte in die Küche und rieb sich das Gesicht mit einem nassen Tuch ab, bis er sicher sein konnte, daß die Tränenspuren verschwunden waren. Von droben hörte man Schritte, dann auf der Treppe, und die Tür zum Garten öffnete und schloß sich. Arillard kam in die kleine Küche, die Zunderbüchse in der Hand.
Die Chearis waren alle schlechtgelaunt. Jensie wirkte ungeschickt, und das war bei ihr selten. Sie stieß einen Wasserbecher vom Tisch. Er rollte über die Matten, und das Wasser sickerte in das festgeknüpfte Stroh.
»Mist!«
Arillard sagte: »Du hebst besser die Matte auf.«
Jensie grunzte. Elli und Cal halfen ihr, die schwere Strohmatte auf die Kante hochzustemmen. Sie lehnten sie gegen die Wand. Auf der leeren Stelle, wo sie gelegen hatte, war der Fußboden fahl und staubig.
Kel kam aus dem Garten herein. Er sah müde und angespannt aus. Er nickte ihnen allen zu und ging in die Küche. Er kehrte mit einem Brotlaib, einem Messer und einer Butterschale zurück. Er zerteilte das Brot in Stücke.
»Sehr redselig sind wir, hm!« erklärte Ilene der Luft im Zimmer.
Elli griff nach dem Buttermesser. Arillard zuckte die Achseln. Kel sank vor dem entblößten Rechteck auf dem Boden auf seine Hacken.
Ilene stemmte die Hände in die Hüften. »Was ist los mit dir?« fragte sie. »Ich hab' dich gehört. Du bist die halbe Nacht lang droben herumgetigert!«
Er legte den Kopf schief und schaute sie an. »Irgendwas stimmt nicht«, sagte er.
Jensie starrte ihn mit zusammengekniffenen Augen an.
»Ist es etwas Großes oder etwas Kleines?« fragte Ilene.
»Ich kann es nicht erkennen«, antwortete Kel.
Sefer kam die Treppe herab, er hatte Kerris' Schriftrollen unter dem Arm. »Guten Morgen«, sagte er und hob die Augenbrauen, als er die hochgestellte Matte sah, sagte jedoch weiter nichts dazu.
»Sef, was wird heute geschehen?« fragte Arillard.
»Ich bin mir nicht sicher«, gab Sefer zurück. »Doch wir werden wohl mit einer kleinen Delegation der Wüstenreiter rechnen müssen, die uns erklärt, daß sie wegziehen, und die die Übergabe Riniards mit uns bespricht.«
Ilene sagte: »Kel hat Vorahnungen.«
Jensies Gesicht war bleich geworden. Sie kniete plötzlich nieder, packte Kel am Handgelenk und stieß ihm dabei das Brot aus der Hand. Auf ihren Wangen glühten Flecken wie zwei feurige Kohlen. »Es ist nicht Riniard!« sagte sie. »Sag, daß es nicht Riniard ist!«
Mit einer kräftigen raschen Bewegung glitt Kels Arm aus der Klammer ihres Daumens und Zeigefingers, dann hielt er seinerseits sie an den Handgelenken fest. »Nicht, Jen!« sagte er. »Brich mir nicht zusammen! Wir brauchen deine Stärke!«
Sie neigte den Kopf. Ilene hockte sich neben sie und strich ihr mit der Hand den Rücken hinauf. »Komm mit mir zu Kithas Haus! Du kannst mir helfen, hinter Borti herzurennen. Er ist dermaßen aktiv, daß ich mir wünschte, ich wäre
Weitere Kostenlose Bücher