Die Tänzer von Arun
Gesicht und verlieh der Haut einen gelblichen, wächsernen Ton.
»Nein, gar nicht.«
Kel stieg die Treppe hinauf. Terézia stellte ihre Handharfe beiseite, und alle murmelten ihr einen Dank zu. Dann gingen die Chearis zu Bett. Das Öl in dem Chobatateller brannte niedrig, als Kerris seine Schreibarbeit schließlich beendete. Er hatte drei Seiten und eine halbe vierte vollgeschrieben.
Er reichte die Blätter Sefer. Der Meister der Inneren Sprache nahm sie ernst entgegen. »Ich danke dir, Kerris.«
Kerris zuckte die Achseln. Er fühlte sich versucht, den Text noch einmal zu überarbeiten, um die Einzelheiten nachzutragen, die er ausgelassen hatte. Er dachte daran, was Josen wohl sagen würde, wenn er das sehen könnte. »Unpräzise, schlampig, unvollständig ...«
Die Nacht war warm. Die Blase drückte ihn vom langen Sitzen. Er trat hinaus und öffnete seine Kleider. Er roch den Geruch der Äcker: Heu, Gras, Kuhdung, Staub, Pferde und die ganz eigentümlichen Gerüche aus den Häusern. In einer Küche in der Nähe war jemand beim Backen. Der Geruch erinnerte ihn an die Küche auf Tornor, und diese wiederum an Paula. Der Brief an Josen fiel ihm ein, der noch immer unversiegelt bei seinem Bett lag. Er wollte sich morgen daran erinnern, ihn zu versiegeln.
Ein schläfriger Vogel sang ein Lied aus zwei Tönen im Gewirr einer Hecke. Der Harnstrom schoß in einem starken, hohen Bogen aus ihm heraus. Er grinste, schüttelte das Glied aus, schloß die Hosen wieder und wandte sich zum Gehen.
Sefer stand unter der Tür. Das Licht aus dem Fenster fiel auf sein Haar und ließ es phosphoreszieren.
Er machte eine Handbewegung auf die Bank zu. »Setz dich ein bißchen zu mir!«
Kerris ließ sich auf den kalten Stein nieder.
»Wie ist es heut im Hof gegangen?«
Der Schimmer des aufgehenden Mondes begann über dem Hügelkamm zu leuchten. Kerris sah zu, wie das Glühen stärker wurde. »Es ging ganz gut.«
Sefer sagte: »Ich wollte mich bei dir entschuldigen, Kerris, für das, was du heute morgen mitgemacht hast. Wenn ich gewußt hätte, daß es passieren würde, ich hätte dich nicht gebeten, mit uns zu gehen.«
»Das weiß ich«, sagte Kerris. Über der Zackenlinie der Baumwipfel tauchte ein Lichtdreieck auf.
»Doch nun glaube ich, daß es so am besten war«, fuhr Sefer fort. Er legte Kerris die Hand auf die Schulter und drehte ihn ein wenig zu sich herüber. Sein Gesicht war verschwommen, die Augen im Schatten ein farbloses Schimmern. »Ich werde jetzt in dich hineingreifen«, sagte er, »und ich will, daß du mich abwehrst.«
Kerris blieb nicht die Zeit, etwas dagegen zu sagen. Er spürte, wie Sefer sich zu ihm hin ausdehnte, die Oberfläche seiner Gedanken berührte, nach innen sondierte – Zum Teufel mit dir, dachte er, ich kann dich nicht abblocken! Er hätte nicht sagen können, ob das Schimmern vor seinen Augen Sefers Gedanken waren oder der aufsteigende Mond. Er hob die Hand, bereit, sie auf die Steinbank zu schmettern, um die einzige Waffe einzusetzen, die ihm vertraut war: Schmerz. Aber seine Hand wollte ihm nicht gehorchen.
Nein, sagte Sefer, nicht so!
Sein Herz schlug wie Donnergrollen. Plötzlich glitt etwas in seinem Kopf von der Stelle. Es fühlte sich an wie ein Bolzen, der in eine frischgeschnittene Kerbe gleitet. Seine Hand sank herab. Er rieb sich die Knöchel auf dem Stein wund. Das Mondlicht flammte in seine Augen. In seinem Kopf war nichts, außer seinen eigenen Gedanken.
Er holte Luft. Er wußte, was er gerade getan hatte, ohne zu wissen, wie er es getan hatte. Und er war unversehrt. Er war frei. Er drehte sich ganz zu Sefer herum. »Was ...« Sein Lehrer saß zusammengekrümmt da und hielt sich den Kopf mit beiden Händen. Als Kerris sich bewegte, richtete er sich auf. Auf seinen fahlen Wangen hingen Tränen.
»Ich ... es tut mir leid«, sagte Kerris. »Ich wollte dir nicht wehtun.« Seine Fingerknöchel brannten. Er legte die Lippen auf das zerkratzte Fleisch.
»Es geht vorbei«, sagte Sefer gleichmütig. Er ließ die Hände sinken. »Ich wußte, daß es geschehen könnte.« Seine Lippen hoben sich in den Winkeln. »Du hast es geschafft.«
Kerris schloß die Augen. Er konnte spüren-sehen-fühlen, wie seine Mauer stand: sie war aus grauem Stein mit Glimmereinsprengseln, wie der Torbogen in der Mauer auf Tornor war sie, und sie schimmerte wie eine Spiegelung im Glas. »Aber warum jetzt? Warum nicht früher?«
»Wegen der Dinge, die heute geschehen sind«, sagte Sefer. »In diesem
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