Die Tänzer von Arun
seiner Frau. »Ich hab' den chearas heut morgen fortreiten sehen«, sagte er. »Und ich hab' mir gedacht, Kerris ist nicht dabei! Das bedeutet, er hat sich entschlossen, in Elath zu bleiben.«
»Ich hab' auch bleiben wollen«, sagte Kerris. »Aber dann bin ich in den Tanjo gegangen, und ich hab' den Wächter angeschaut und darüber nachgedacht, und da schien mir plötzlich, daß ich ... daß ich nicht bleiben konnte. Ihr wollt, daß ich bleibe. Sefer – Sefer wollte auch, daß ich bleibe und in der Schule unterrichte. Aber ...« Es war schwerer, es auszusprechen, als er erwartet hatte. Er rang nach Worten.
»Aber du willst nicht«, sagte Lea.
Er spürte ihre Enttäuschung und ohne Überlegung griff er über das Schweigen hinweg und berührte sie mit seiner Seele. Alis, dachte die Frau, er ist Alis so ähnlich – und das Bild einer kleinen dunklen Frau, das Haar in einen langen, dichten Zopf geflochten, in grünem Kleid glitt verstohlen durch seinen Kopf ... War dies Leas Erinnerung oder seine eigene? Leas liebevolles, besorgtes Gesicht legte sich über die Züge der Alis von Elath. Kerris sagte: »Ich kann nicht so einfach die Person sein, die meine Lehrer gern in mir sehen möchten. Ich muß herumsuchen – muß herausfinden, nicht nur, was ich tun kann, sondern vor allem auch, was ich tun will.«
»Wenn du von deiner Begabung sprichst«, sagte Ardith, »dann gibt es keinen besseren Ort als Elath. Hier gibt es andere Innensprecher, von denen du lernen kannst.«
»Ja, ich weiß«, sagte Kerris. »Aber ...« Der rote Vogel schwebte über den Baumwipfeln. Kerris wandte sich um und sah ihm nach. Die Katze maunzte in den Sträuchern. »Ich muß fortgehn.«
Ardith sagte sanft zu Lea: »Nika, er ist siebzehn!«
Sie seufzte. »Ja«, sagte sie dann, »und man kann keinen Zaun um die jungen Leute bauen, es zerbricht ihren Mut ...« Sie strich Kerris über das Handgelenk. »Wirst du dem chearas folgen?«
»Ja. Kel wollte das.«
»Aber du bist kein Cheari.«
»Nein. Ich kann nicht kämpfen, und ich kann nicht tanzen. Aber es muß irgendwas geben, was ich für sie tun kann.« Er erinnerte sich an etwas, das Kel zu ihm gesagt hatte, und er wiederholte es nun. »Das Muster fühlt sich richtig an, wenn ich dabei bin.«
»Wer sagt das?« fragte Ardith.
»Kel.«
Der Bauer schob die Lippen vor. »Kel ist ein Musterweber. Wenn er es gesehen hat, dann muß es wohl so sein.« Er stand auf. »Komm! Wenn du sie heute noch einholen willst, dann mußt du dich auf die Socken machen.« Er hielt Lea beide Hände hin, und sie stand auf und drängte sich in seine Arme, die sie umfingen. Von dort schaute sie Kerris an.
»Wirst du wiederkommen?« fragte sie.
»Irgendwann mal. Ich verspreche es.«
Sie gingen ins Haus zurück. Reo stand an dem gesäuberten Kamin. Auf seinem schmalen Gesicht lag ein fragender Ausdruck. »Talith hat gesagt, daß du da bist.« Er machte eine Handbewegung nach oben. »Ich war da oben mit Tazi.«
»Ich bin nur gekommen, um auf Wiedersehen zu sagen«, erklärte Kerris. »Ich werde nach Mahita gehen.«
»Oh! Und ich hab' gedacht ...« Reo schob den nackten Fuß auf dem Bretterboden hin und her. »Ach, nichts weiter«, sagte er, die Augen auf das Gesicht seiner Mutter gerichtet. »Ich hoffe, du hast eine gute Reise.«
»Ich danke dir.«
Dann sagte Reo: »Wenn du zufällig weiter nach Süden kommst, beispielsweise bis nach Kendra-im-Delta, und wenn du zufällig durch die Goldschmiedgasse kommen solltest, glaubst du, du könntest dann einen Moment stehenbleiben und ...«
»... deinen Freund aufsuchen?« Kerris grinste. »Das mach ich gern.«
»Devo-no-Demio ist sein Name, und er arbeitet für den Schmiedemeister Tian.«
»Ich weiß es noch«, sagte Kerris. »Ich könnte ihm sogar deinen Brief mitnehmen.«
»Ach, der ist weg«, sagte Reo. »Paps hat ihn heut morgen dem chearas mitgegeben.«
Lea fragte: »Hast du alles, was du brauchst? Kleidung, Essen?«
»Ja«, antwortete er, obschon er mit keinem Gedanken ans Essen gedacht hatte. Es spielte keine Rolle. Er mußte fort. Er nahm seinen Pack auf. »Gehabt euch wohl!«
»Reise in Sicherheit«, sagte Ardith. Der leichte Wind wehte durchs Zimmer und trug Staub mit sich. Kerris nickte Meda zu. Sie hob den Besen und salutierte vor ihm. Rasch drehte er sich um und ging durch die offene Tür.
Er trat in den Stall. »Hallo, meine Schöne«, sagte er zu Magrita, als er neben ihr in die Boxe glitt. Sie schien sich zu freuen, als sie ihn sah, und war
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