Die Tänzer von Arun
Die Gemüsestengel kamen aus den Zimmerecken gehüpft und landeten vor Tazias Füßen.
Ardith sagte: »Tazi, heb das auf!«
Die abu am Herd hob den Kopf und keckerte, ein Geräusch wie von kullernden Steinchen.
Tazia schaute trotzig drein.
»Trag sie zum Brunnen und wasche sie, und dann bring sie wieder her! Für einen Morgen hast du jetzt genug Unheil angerichtet.« Die Tür hinter Tazias Rücken öffnete sich, obgleich keiner sie angerührt hatte. »Und wenn du sie zurückgebracht hast, dann wirst du in den Tanjo gehen.«
Die Zöpfe hingen demonstrativ traurig nach unten, während Tazia die staubigen Gemüsestengel von den Bodenmatten auflas. Sie ging durch die Tür, die sich leise hinter ihr schloß. Lea nahm die orangefarbene Schüssel auf und fuhr mit dem Zeigefinger über ihre Rundung. »Sie hat keinen Sprung!« Sie lachte. Die Freude, die sich über ihr Gesicht ausbreitete, verstärkte noch die Ähnlichkeit mit ihrer Tochter. »Ich erinnere mich noch, wie sie versucht hat, ihre Gabe zu benutzen, um die Kühe zu melken. Ai, war das komisch!«
»Also ist sie eine Hexe«, sagte Kerris.
»Sie kann Dinge mit ihrem Verstand bewegen, wie du ja gesehen hast. Darin ist sie gewißlich das Kind ihres Vaters. Aber dem chea sei Dank, keins von den andern Kindern hat diese Begabung. Es kam über sie, als sie noch klein war. Gewöhnlich tritt die Gabe einer Frau erst auf, wenn sie ihre Blutung bekommt. Alis entdeckte ihre Gabe erst dann.«
Die Tür ging auf. Tazia kam hereingestapft. Sie legte die triefenden Stengel zurück in die Schüssel, dann ging sie schweigend und schloß die Tür hinter sich. Plötzlich sprang diese wieder auf. Ein Paar rehbrauner Schuhe segelte durch die Luft und fiel draußen mit einem Klatschen auf die Erde. Die Tür schloß sich wieder. Lea ließ ihr tiefes, angenehmes Lachen ertönen. Sie setzte sich in Bewegung. »Komm, Kerris!« sagte sie. »Du magst meine Arbeit. Ich will dir meine Werkstatt zeigen.«
Auf der anderen Seite des kleinen Gartens (der eigentlich ein Kräutergarten war, über dem ein Duftgemisch verschiedenartigster feiner Gerüche schwebte) stand ein Schuppen. Kerris nahm an, daß es einmal ein Stall gewesen sein mußte. Es hing noch immer ein leichter Pferdegeruch in der Luft. Der Boden des Schuppens war mit feinem weißen Staub bedeckt. »Das ist der Staub vom Töpferlehm«, sagte Lea. »Es läßt sich einfach nicht vermeiden.« Unter den Fenstern standen drei Fäßchen, alle drei mit feuchtem Tuch bedeckt. Lea nahm die Tücher fort, damit Kerris sehen könne. Die Fässer waren mit Lehm gefüllt. Der Lehm im ersten war rot, der im zweiten weißlich, der im dritten grau. An der gegenüberliegenden Wand des Raumes standen auf einem Bord Krüge, Teller und Schüsseln aufgereiht.
Lea zeigte Kerris ihren Arbeitstisch. »Ich forme die Gefäße auf der Töpferscheibe.« Sie wies auf eine Drehscheibe in einer Ecke. »Dann feure ich sie im Töpferofen. Der liegt gleich hinter dem Schuppen. Wenn du Lust hast, zeige ich's dir. Dann verziere ich sie.« Sie deutete auf eine Reihe kleiner Töpfchen auf dem Werktisch. »Das sind meine Farben, meine Emailles, Lacke und Glasuren. Manche sind Pulver, andere flüssig, manche enthalten Glas. Andere nicht.« Sie nahm einen blauen Topf in die Hand und drehte ihn so, damit Kerris das Muster erkennen könne. Der Topf war mit weißen Blüten bedeckt. »Dieses Muster entsteht, indem man die blaue Glasur um die Umrisse der weißen Blüten herum aufträgt und indem man so das natürliche Weiß des Tons durchbrennen läßt.«
»Und was machst du mit ihnen?«
»Oh, ich tausche mit meinen Nachbarn. Ich mache fast alle Töpfe und Teller für das Dorf. Die besten hebe ich auf und verkaufe sie an den Blauen Clan. Es gibt einen Händler aus Mahita, der meine Blumentöpfe mag und der mir fast alles abkauft, was ich mache. Von ihm bekomme ich auch meine Glasuren.« Dann zeigte sie ihm ihr Werkzeug: Pinsel, Metallstichel, Schaber, Zangen. Zwei noch unangezündete Stundenlichter standen im Fenster.
»Wo findest du deine Muster?« fragte Kerris.
Sie lächelte. »In meinem Kopf.«
Am hinteren Rand des Werktischs stand eine chobata, deren Oberfläche von häßlicher Schlammfarbe war. Kerris wies mit dem Kinn darauf. »Ist das verdorben?«
Lea lachte. »Nein. Es wartet auf den Brand. Wenn es aus dem Ofen kommt, wird es leuchtendrot sein, und ich werde es mit schwarzem Lack verzieren.«
»Wo hast du all das gelernt?«
»Bei meiner Mutter. Die Frauen in
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