Die Tänzer von Arun
Hand. »Es ist die Wahrheit«, sagte sie. »Ihr habt die Kraft. Wir spüren es.«
»Ihr habt eine Schule hier im Dorf«, sagte die Asechfrau, »in der eure Kinder lernen, Hexer zu sein. Wir haben in der Wüste von dieser Schule vernommen. Ihr lehrt eure Kinder Feuer in der Hand zu halten. Wir sind gekommen, um zu lernen. Lehrt uns, Feuer zu tragen, ihr Leute von Elath.«
Lara sagte: »Ihr habt unsere Häuser verbrannt. Ihr droht, ihr werdet unsere Felder verbrennen. Warum sollten wir euch irgend etwas lehren?«
Thera warf den Kopf in den Nacken und stieß einen gellenden Schrei aus.
Ein Reiter kam nach vorn gekantert. Am Zügel lenkte er ein zweites Pferd. Schlaff über den Sattel hängend, gefesselt, das Gesicht zur Erde lag ein Mann. Sein rotes Haar sah im Fackellicht aus wie Blut.
»Er ist jung und hellhäutig«, sagte Thera. »Und er ist auch ein tollkühner Narr, sich allein an ein Lager der Asech heranzuschleichen. Er will uns seinen Namen nicht nennen. Er besitzt Mut. Wer ist er? Ein geliebter Sohn? Ein Vater? Ein Bruder? Er ist jetzt in unserer Gewalt. Wollt ihr, daß er unverstümmelt bleibt und keinen Schaden nimmt? Dann werdet ihr tun, wie wir gesagt haben.«
Das Pferd tänzelte ein wenig unter seiner Bürde. Riniard, auf seinem Rücken, bewegte sich nicht. Laras uraltes Gesicht blieb ausdruckslos. Der Mann rechts von Kerris fluchte erneut. Kerris' Augen tränten von dem Fackelschmauch. Er hob die Hand, um die Tränen abzuwischen.
»Für jeden Tag, den ihr uns abweist«, sagte Thera, »wird ihm etwas genommen. Vielleicht nur ein Finger. Vielleicht ein Auge.«
Ein dumpfes Grollen drang aus der Menge. »Ihr Unmenschen!« rief eine Stimme.
Thera runzelte finster die Stirn. »Wir sind die Wüstenreiter«, sagte sie. »Wir leben nicht nach den Gesetzen der Städte.« Ihr Pferd warf den Kopf zurück. Die Mähne und der Schwanz waren zu Zöpfen geflochten. In den Strängen der Mähne waren Federn eingeflochten. Kerris überlegte sich, ob dies wohl bedeutete, daß Thera ein Häuptling sei. Auch andere Reiter hatten Federn in die Mähnen der Reittiere geflochten. Theras Pferd versuchte zu courbettieren, doch sie hielt es mit leichter Hand nieder. Sie beugte sich vor und klopfte ihm auf den gebogenen Hals. Mit ihrem schimmernden Haar und den knochigen Gesichtszügen erinnerte sie Kerris an einen Vogel, einen Beutegefiederten, einen Raubvogel.
Der Reiter, der das zweite Pferd herangeführt hatte, sagte etwas zu der Frau, zornig und brüsk. Sie antwortete in beschwichtigendem Ton. Der Lärm von dem Brand in einer der Straßen nahebei war schwächer geworden.
»Kommt im Licht der Sonne zu uns!« sagte Lara. »Kehrt morgen zurück! Wir werden euch unterrichten.«
»Wenn dahinter ein Verrat steckt, dann wird unser Gefangener es büßen«, sagte Thera. Sie war nun Kerris so nahe, daß er das Krummschwert an ihrer Seite und die Fransen an ihren Stiefeln sehen konnte.
»Es wird keine Hinterlist geben«, sagte Lara.
»Wir werden kommen«, entgegnete Thera. »Erwartet uns, wenn wir da sind! Es wird bald sein.« Ihr Pferd bäumte sich. »Iaah!« Die Reiter wirbelten ihre Fackeln und schrien und gellten. Dann stoben sie von dem Platz auf die Straße, in schnellem Galopp, strahlend wie fallende Sterne vor den dunklen Feldern, dem dunklen Himmel. Kerris mußte an Riniard denken. Vielleicht war der junge Cheari schon verwundet. Galle stieg ihm in den Rachen. Er schluckte sie hart hinunter.
Seine Knie trugen ihn nicht sicher. Er lehnte sich gegen die Hauswand. Ardith war verschwunden, untergetaucht in der Menschenmenge. Kerris fragte sich, wo der chearas sein mochte. Alle redeten jetzt durcheinander. Über dem Lärm erhob sich eine ihm vertraute Stimme: Sefer. Kerris ging in die Richtung. Er sah ein braunes Gesicht im Mondlicht. Es war Elli. Er legte ihr die Hand auf die Schulter. Sie wirbelte herum und stand ihm gegenüber, eine Hand zur Faust geballt, die andere mit einem Messer. »Hast du gesehen ...?«
»Ich hab's gesehen.«
Sie stieß das Messer in die Scheide. »Armer Riniard«, sagte sie.
Lara, Sefer und drei andere Leute aus Elath, die Kerris nicht kannte, standen beisammen und hörten einer Frau in braunem Gewand zu. Sie trug einen Bogen. Dann erinnerte Kerris sich an sie: Cleo von den Felsen oben an der Straße. Sie sagte: »Wir haben sie durchgelassen, wie ihr befohlen habt, und haben sie gezählt. Wir zählten vierundfünfzig mit denen, die oben am Rand geblieben sind. Aber es können noch mehr
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