Die Tänzer von Arun
konnte er den Mond wieder deutlich sehen. Sein Kopf ruhte auf Kels Arm. »Wieder wach?« fragte sein Bruder.
»Hmm.«
»Ist dir kalt?«
Nein, ihm würde nie wieder kalt sein. »Nein. Dir?«
»Nein.«
Er lag noch immer auf dem Rücken. Seine Schenkel waren feucht und klebrig. Kel lag auf der Seite neben ihm und ließ seine Finger über Kerris' Gesicht gleiten. Sie rochen nach Samen. »Du bist ziemlich lang hier draußen geblieben, Kerris. Die andern könnten kommen und dich suchen.«
»Das ist mir egal«, sagte Kerris. »Sollen sie doch.« Und plötzlich dachte er: Kel macht es vielleicht was aus, vielleicht will er nicht, daß die anderen – Sefer – etwas erfahren.
»Macht es dir was aus?« fragte er.
»Ob sie nach uns suchen und uns finden? Sei nicht kindisch.« Kel ließ seine Fingerspitzen über Kerris' Schenkel wandern. Kerris zuckte zusammen. »War es eigentlich das erstemal?« fragte Kel leise.
»Es war das erstemal so«, sagte Kerris.
»Gut.« Kels Zunge zeichnete ein Muster auf Kerris' Brust. Kerris fuhr mit der Hand in das schimmernde gelockte Haar seines Bruders und zog ihm den Kopf hoch. »Du hast nicht viel davon gehabt, nicht?«
Statt einer Antwort legte sich Kels Mund hart auf den von Kerris. Als er den Kopf wieder hob, sagte er: »Es war gut.«
Kerris berührte mit den Fingern seinen Mund. Seine Lippen waren aufgesprungen. »Sind die andern wach?« fragte er.
»Die Lichter sind gelöscht. Aber das müßtest du eigentlich viel leichter sagen können als ich, chelito!«
Das ist wahr, dachte Kerris. Er griff mit seinen Gedanken in das Hausinnere hinüber.
Jensie, gottlob, schlief fest. Ilene und Elli schlummerten halbwach. Calwin schnarchte im Tiefschlaf wie gewöhnlich. Arillard war hellwach. Kerris berührte einen Fremden und zog sich hastig zurück. Das war Terézia gewesen. Sefer war nicht dort. Er sagte es zu Kel.
Der antwortete: »Er wird bald da sein.«
Zum erstenmal seit seinem Einzug in Elath dachte Kerris ohne Neid an Sefer. »Du liebst ihn sehr«, stellte er fest.
Kel nickte. Sein Haar streichelte über Kerris' Kinn. »Wir sind zusammen aufgewachsen, und wir lieben uns, seit wir Kinder waren – lang bevor wir wußten, was Sex ist oder wie man es macht. Wir haben allerdings nicht lang gebraucht, das zu lernen ...« Er lachte. »Sef ist der einzige Mensch auf der Welt, der mir befehlen kann, was ich tun soll, und der mich dabei überzeugt. – Außer Zayin.«
»So wie heut' abend?«
»Ja. Und er hatte natürlich recht. Und wenn er mich nicht zurückgehalten hätte, dann wäre ich nie durch den Garten zum Haus zurückgegangen, in der Hoffnung, mich an Jensie vorbeizuschleichen – und dann sieh mal, was ich verpaßt hätte!« Er neigte sich vor und fuhr mit der Zunge über Kerris' Lider.
Raschelnde Nachtgeräusche huschten durch den Garten: Tiere auf der Jagd, der Ruf einer Eule, das schwingende Quaken eines Frosches. Kerris spürte, wie die feuchte Kühle durch die Unterlage seiner Kleider heraufdrang. Widerstrebend streckte er sich. Seine Ferse zuckte. »Gehn wir hinein.«
Kel kam mit einer fließenden Bewegung auf die Beine. Kerris stand etwas langsamer auf. Kel streckte die Hände aus und legte sie seinem Bruder auf die Schultern. Sie küßten sich. Es war ein sanfter, schmerzloser Kuß.
Sie gingen nackt durch das Mondlicht zum Haus zurück. Kel stieg die Treppe hinauf, Kerris suchte sich seinen Weg zwischen den Schlafenden auf den Matten hindurch. Er fand seine Bettrolle neben der Ellis ausgebreitet. Sie lag auf der Seite, den Kopf abgewandt, die Knie fast bis ans Kinn hochgezogen. Er ließ seine klammen Kleider auf den Boden fallen und rollte sich in seine Schlafdecke. Die Wolle kratzte. Der Boden unter ihm war stark und fest. Wie ein Arm.
Lächelnd ließ er sich dagegen sinken.
9. Kapitel
Er erwachte mit einem Lächeln auf den Lippen.
Elli hockte neben ihm und zog sich die Kleider über. Kerris griff nach seinem zerknautschten Hemd. Es war voller Grasflecken. Er kratzte mit dem Fingernagel an einem der Flecken herum. Ellis Kopf tauchte durch den Halsausschnitt ihrer Tunika. Er fragte sich, ob sie wohl etwas wußte. Er zog das Hemd an. Als er danach zu Elli hinüberschielte, sah er, daß sie ihn grinsend betrachtete.
Die Decke knarrte. Kerris bemühte sich, eine ernste Miene auf sein Gesicht zu zwingen. Jeder, der mich anschaut, wird mich für verrückt oder für krank halten, dachte er. Die Treppe herunter kamen Schritte. Er mühte sich, nicht zu der
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