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Die Tänzerin im Schnee - Roman

Die Tänzerin im Schnee - Roman

Titel: Die Tänzerin im Schnee - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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angerufen, der ihr genannt worden war und der etwas über die Archive des Juweliers hätte wissen können. Es störte sie nicht, dass das Ganze vielleicht nur ein Hirngespinst war oder dass die Chancen gering waren, noch vor der Auktion etwas ausfindig zu machen. Normalerweise freute sich Drew an diesem Punkt immer darauf, das gesamte Projekt endlich hinter sich zu haben. Doch nun hatte sie vor, weiter nach Informationen zu suchen, die Grigoris Vermutungen über Nina Rewskaja eindeutig bestätigen oder widerlegen würden.
    Eine familiäre Verbindung zu ihm … verwandtschaftliche Beziehungen. Drews Gedanken folgten einem breit ausgetretenen Pfad von Ninas Armband und Ohrringen zu Grigoris Anhänger – die nun, allesamt in unscheinbare Plastikbeutel eingeschweißt, auf die Vorbesichtigung in der nächsten Woche warteten. Der Anhänger, Grigori Solodins Anhänger, diese kleine Spinne mit dem Beutel unter sich, der wie ein Fallschirm aussah … Die Briefe, von denen Nina Rewskaja behauptete, dass sie ihr nicht gehörten …
    Drews Mut sank sofort wieder, als sie sich daran erinnerte, wie sie Nina Rewskaja ein paar Tage zuvor zum Weinen gebracht hatte. Nur weil sie ihr die beiden Fotos gezeigt hatte … Drew selbst war ja ganz aufgewühlt gewesen durch die Ausstrahlungskraft dieser Bilder und ihre stumme Erinnerung daran, dass die Menschen, die uns am nächstenstehen, einfach so verschwinden können; sogar die Menschen, die in unserem Leben feste Wurzeln geschlagen haben und deren Existenz wir für selbstverständlich halten. Jen und Kate und Stephen; ihre Mutter, ihr Vater. Auch sie, wie Drew selbst, würden irgendwann einmal nur noch in Bildern weiterleben – auf Fotos und in den Erinnerungen anderer.
    Bei diesem Gedanken straffte Drew die Schultern und schüttelte erneut den Kopf. Fotos – die Beilage, die Korrekturbogen. Die Stellen für die Abbildungen waren immer noch weiß. Drew wandte ihren Blick auf den Computerbildschirm, um die Bilder ein letztes Mal zu überprüfen. Als Erstes kam ein Foto, auf dem die junge Nina Rewskaja mitten im Sprung die Beine parallel zum Boden ausstreckte. Dann eine Zeitungsnotiz über ihre Flucht, gefolgt von einer Aufnahme aus einem Fotoshooting für Van Cleef & Arpels. Als Nächstes hatte Drew ein Bild von Nina und ihrem Mann eingefügt, für das sie einen Ausschnitt aus einem von Grigoris Fotografien verwendete.
    Für das letzte Bild auf der Rückseite der Broschüre hatte Drew eine ungestellte Aufnahme gewählt: Nina Rewskaja und drei andere Tänzerinnen des Bolschoi-Theaters, die sich in einem Trainingsraum über die Ballettstange beugen. Drew hatte es im Internet gefunden, wo es viele Archive mit Bildern gab, auf denen Tänzerinnen sich in der Probe aufreihen oder an einer Seite des Raumes stehen und zusehen, wie ihre Lehrerin ihnen etwas vorführt. Diese ungekünstelten Aufnahmen, insbesondere der gesamten Ballettgruppe, fand Drew besonders faszinierend, da sie offenbarten, wer diese Tänzerinnen eigentlich waren – meist noch Mädchen mit immer noch sehr jungen Körpern und Augen, die Jugend ausstrahlten; namenlose Mädchen, an die sich niemand mehr erinnerte. Einige von ihnen waren buchstäblich namenlos: hin und wieder listete die Bildunterschrift eine »nicht identifizierte Tänzerin« auf, was Drew jedes Mal kurz innehalten und sich fragen ließ, wer diese Mädchen nur waren, die es zwar geschafft hatten, Teil eines der besten Ballettensembles der Welt zu werden, deren Ruhm jedoch nicht bis in die Nachwelt reichte.
    Als sie sich das Bild für die Rückseite noch einmal genau ansah, machte Drew eine Entdeckung. Die Frau, die rechts neben Nina Rewskaja stand. Sie wirkte zart und ätherisch und vor allem irgendwiebekannt. Dieser düstere Blick. Drew dachte einen Moment nach und nahm sich dann erneut die Mappe mit den Unterlagen vor, die Grigori ihr geliehen hatte. Das Bild mit dem Pärchen, das sie für die Broschüre zurechtgeschnitten hatte, ließ sofort wieder Traurigkeit in ihr aufkommen. Ja, sie hatte recht gehabt: es handelte sich um dieselbe Frau – die, die Nina ihre beste Freundin genannt hatte. Sie war also auch eine Ballerina gewesen. Dem Onlinearchiv zufolge lautete ihr Name Vera Borodina.
    Drew klickte sich durch die geöffneten Fenster auf ihrem Computerbildschirm zurück zu dem Ordner, in dem sie die Fotografien aus den Onlinearchiven gespeichert hatte. Sie fand tatsächlich noch zwei weitere, auf denen Vera Borodina abgebildet war. Eins stammte von einer

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