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Die Tänzerin von Darkover - 9

Die Tänzerin von Darkover - 9

Titel: Die Tänzerin von Darkover - 9 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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keinem vertrauen.«
    »Was soll die Geheimnistuerei? Und wie bist du überhaupt zu dieser Uhrzeit in die Burg gelangt?« Aber während sie noch fragte, zog sich Marguerida bereits an. Sie wählte nicht etwa die offizielle Robe der Bewahrerin, sondern einen schlichten Wollkittel und Hosen, die sie für alle Fälle in ihrem Schrank versteckt hielt. Ihr glänzendes Haar band sie zu einem Knoten und verbarg es unter einer dunklen Mütze; dann nahm sie noch den wärmsten Mantel, den sie finden konnte.
    »Wie ich an den Wachen vorbeigekommen bin? Nichts einfacher als das.« Mehr sagte Raquel nicht. Sie führte Marguerida über eine Treppe nach unten und dann unbemerkt durch das Tor an den Wachen vorbei, die sich in ihren Gesprächen nicht stören ließen.
    Ihr Weg führte sie durch die Stadt zum Marktplatz, den sie jetzt im Schutz der Häuserschatten umliefen, bis sie an seiner Westseite angelangt waren. Ihre weichen, gefütterten Stiefel hinterließen auf den mit Reif bedeckten Steinplatten Spuren. Liriel, deutlich schon in der abnehmenden Phase, stand hoch am Himmel und tauchte den Platz in kaltes Silberlicht.
    Raquel blieb vor einem mit Brettern vernageltem Laden stehen, dem stiefelförmigen Schild nach zu urteilen der Verkaufsstand eines Schusters. »Hier kann man es ganz deutlich fühlen«, flüsterte sie.
    »Allein und ohne Hilfe wollte ich es aber nicht weiter auskundschaften. Könnt Ihr es auch wahrnehmen?«
    Der Platz war völlig leer und ruhig; kein Windhauch, nicht das geringste Geräusch durchbrach die Stille. Marguerida wartete einige Zeit ab; dann spürte auch sie allmählich, wie sich hinter ihren Augenlidern ein Licht ausbreitete – ein schwacher, warmer, rötlicher Schein, dem die violette Kälte des Mondes nichts anhaben konnte.
    Dazu ein Sog, ein Versinken und Einswerden mit einem Ort unergründlicher Tiefe. Es pulsierte wie ein Herz. Gestalt und Substanz verschmolzen in der Wärme. Marguerida glitt, ohne es zu wollen, in die Überwelt – eine Welt voller verborgener Dinge, so weich und rot wie Blut. Sie schritt, nein, sie kroch auf Händen und Füßen über einen Teppich aus Wärme dahin und sank immer tiefer ins Dunkel. Es raubte ihr den Atem.
    Sie lag aufgebahrt auf dem Altar der Dunkelheit, die Arme weit ausgebreitet. Ihr Haupt war tausendfach gekrönt mit schimmernden Monden und Totenköpfen. Ihr dunkles Haar schien mit den Schatten verwoben.
    Kommt zu mir und ruhet! Mein Schoß gebar die ganze Welt, in meinen Schoß soll sie zurückkehren! Kommt, ich will euch umfangen und ewig halten. (Ein Schoß, der … ) Wo immer ihr seid, ich werde bei euch sein.
    Trinkt von meinem Busen, (Ein Schoß, der seine Frucht nicht freigibt
    … ) von meiner Brust trinkt Frieden und Vergessen ( … verfault und wird vergehen.)
    Marguerida riß den Kopf ruckartig hoch. Sie befand sich wieder auf dem Platz und hörte Raquel sagen: »Domna, zurück, kommt zurück!«

    »Ich bin zurückgekehrt«, sagte sie. Der Schweiß auf ihrer Stirn gefror zu kleinen Eisperlen. »Bei Aldones, was war das?«
    »Ja, was? Ich hatte gehofft, Ihr könntet mir das sagen.« Die beiden Frauen schauten einander ratlos an. Am anderen Ende des Marktplatzes schlug eine Tür zu; ein Mann huschte von einem Gebäude zum anderen; er schlug die Arme gegen den Körper, um die Kälte abzuwehren.
    »Es gleicht einer gräßlichen Karikatur der Göttin«, stammelte Marguerida. »Avarras Züge, aber ins Groteske übersteigert und zu einem Schluß gebracht, der zugleich erschreckend logisch und absolut wahnsinnig ist.«
    »Dann war es also – SIE?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Aber kann denn die Göttin wahnsinnig werden?«
    »Ich weiß es nicht«, bekräftigte Marguerida. »Aber ich weiß, wen ich zu fragen habe. Es gibt nur einen, zu dem die Götter heute noch sprechen, und dieser Mann ist Lord Regis Hastur.«
    Lord Regis saß in der hintersten Reihe, dicht an der Wand, an der einst das Alton-Banner geprangt hatte. Aber das hatte jetzt nichts mehr zu besagen; alle Banner waren in der Festnacht von unbekannter Hand heruntergerissen worden. Die Kristallkammer hatte man in eine Einsatzzentrale verwandelt, wie es Jay Allison respektlos nannte. Für die heutige Arbeit brauchte man die telepathischen Dämpfer nicht, und so standen sie abgeschaltet, wie eine Reihe ausgetretener Schuhe, in ihren Nischen. Auf dem Podest in der Mitte, von dem aus früher die Comyn über die Zukunft Darkovers gestritten hatten, stand ein Feldbett, in dem der bewußtlose terranische

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