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Die Tänzerin von Darkover - 9

Die Tänzerin von Darkover - 9

Titel: Die Tänzerin von Darkover - 9 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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erwiderte Varzil hochmütig.
    Der Rebell reagierte darauf nur verächtlich. »Du bist hierher gekommen, um ein Spiel zu spielen! Spar dir deine selbstgerechten Lügen für Zandru und deine adligen Freunde – ich weiß es besser!
    Du siehst in uns genausowenig Menschen wie Lord Serrais – für dich sind wir lediglich Figuren in deinem Spiel.«
    »Das ist nicht wahr!« widersprach Varzil vehement.

    »Val, willst du abstreiten, daß du daran gedacht hast, mich umbringen zu lassen, als ich mich anfangs deinem Plan widersetzte?« fragte Mikhail zornig. »Daß du ohne auch nur mit der Wimper zu zucken daran dachtest, weil ich für dich nicht wirklich ein Mensch war? Verflucht noch mal! Ich wurde auf deinen Befehl hin geschlagen! Du standst nur da und hast es geschehen lassen, immer weiter, immer mehr. Du hast den Schmerz ja nicht einmal wahrgenommen. Kannst du leugnen, daß es so war? Kannst du es vor dir selbst leugnen?«
    »Nein«, brachte Varzil mit erstickter Stimme als Antwort hervor.
    Bei dem Bild, das in seiner Erinnerung aufstieg, schloß er fest die Augen. »Verzeih mir«, fügte er leise hinzu.
    »Du solltest jetzt versuchen, etwas zu schlafen«, wies ihn Mikhail plötzlich scharf an, aber musterte den Prinzen dabei verwundert von oben bis unten.
    Die nächsten Tage brachten für die Gefangenen weitere und noch größere Entbehrungen mit sich. Die Marschkolonne bog aus dem langen Tal mit seinen vielen Windungen, dem sie bislang gefolgt waren, um in die Hellers zum ersten Bergpaß hinaufzusteigen. Jedes neue Nachtlager befand sich in größerer Höhe und war folglich kälter; und jeder neue Tag brachte steilere und noch immer steilere Pfade. Am letzten Tag des Anstiegs zur ersten Paßhöhe erwachten die Männer bei düsterem, wolkenverhangenen Himmel und eisig schneidendem Wind. Gegen Mittag kämpften sie sich bereits durch knöcheltiefen Schnee.
    Varzil unterbrach sein stumpfsinniges Vorwärtstrotten kurz, um, ohne groß darüber nachzudenken, einem der Jüngeren am Fuß eines vereisten Abhangs zu helfen. Der Junge klammerte sich an ihn, und zusammen taumelten und schlidderten sie weiter und stemmten sich gegen den Sturm.
    Ein ums andere Mal half Varzil dem unbekannten Rebellen wieder auf die Beine, bis der Junge schließlich seine Hand, um Halt zu finden, unter Varzils Tragegurt steckte und sein Gesicht gegen den beißenden Wind schützend vergrub; er überließ es Varzil, im blendenden Schnee Sichtkontakt mit ihren Kameraden beizubehalten.
    Es schien eine Ewigkeit zu vergehen, bis die Soldaten endlich an der Baumgrenze Halt befahlen. Sie errichteten rasch ein Zelt, in das sie hineindrängten, und überließen die Gefangenen sich selbst – der Sturm war ihr einziger Wächter.
    Mikhail eilte zwischen seinen Männern hin und her, da er wußte, sie würden, ließe er sie allein, an Ort und Stelle zusammenbrechen.
    Er gab ihnen Befehl, sich in den Schutz der Bäume zurückzuziehen, im Windschatten von Büschen und Felsen zu lagern und dabei Decken und ihre Körperwärme zu teilen.
    Indem er die Linien abschritt und jeden einzelnen Mann überprüfte, kam er auch zu Varzil, der sich allein eingeigelt hatte.
    »Hast du meine Befehle nicht gehört, Val?« rief er ungeduldig. Aber dann legte er unvermittelt und überraschend sanft seine Hand auf die Schulter des Prinzen. »Mach dir nichts draus, ich komme gleich zurück, um mit dir zu lagern, sobald ich bei den Männern alles erledigt habe.«
    »Das wird nicht nötig sein; ich komme hier schon zurecht.« Varzils Antwort klang fast schon schrill, so sehr hatten die Berührung des anderen Mannes und dessen Mitleid ihn schockiert.
    »Das soll wohl heißen, daß du lieber erfrierst als dich dazu herabzulassen, deine Decken mit einem Rebellen zu teilen«, erwiderte Mikhail frostig. »Wie du willst.«
    Varzil wollte beteuern, daß er es keineswegs so gemeint hatte, aber der Rebell war bereits wieder verschwunden. »Soll er doch verflucht sein«, dachte Varzil bei sich. Was immer er auch sagte, der Mann drehte ihm die Worte doch stets im Munde herum!
    Einige Stunden später erkannte der Prinz, daß er einen schweren, wenn nicht gar tödlichen Fehler begangen hatte. Der Wind hatte zwar etwas nachgelassen, aber die Temperatur sank von Minute zu Minute. Er zitterte unkontrolliert und wünschte sich verzweifelt, er könne zu Mikhail gehen und sich entschuldigen, aber er wußte nicht, unter welchem der schneeverwehten Deckenstapel sich der Anführer der Rebellen befand.

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