Die Tänzerin von Darkover - 9
konnte Mira feststellen, daß seine Verwundung nicht lebensbedrohlich war. Ari war trotz seiner zierlichen Erscheinung ein zäher Bursche. Dann spürte sie, wie sich eine dritte Person in ihre mentale Verbindung einschaltete.
»Renata?« fragte sie laut. Sie hatte sich nicht geirrt. Die Herrin von Aldaran war wirklich bei ihnen.
»Ja, ich bin es.« Mira konnte Renatas Stimme hören; die Luft begann zu flirren und eine Gestalt anzunehmen, die Mira wohlvertraut war: schlank, eher unscheinbar, mit Stupsnase und Sommersprossen, dafür aber mit leuchtenden Augen und kupferrotem Haar ohne eine einzige graue Strähne.
Ari starrte die Erscheinung seiner Pflegemutter an. »Wie seid Ihr hierher gekommen?«
»Ich bin nach wie vor in Aldaran. Was du siehst, ist nur eine Projektion. Bevor du nach Hali aufgebrochen bist, habe ich meinen Sternenstein auf deine Matrix abgestimmt, damit ich ständig mit dir in Kontakt bleiben konnte. Du mußt nicht glauben, ich hätte dich je verlassen. Dazu liebe ich dich zu sehr, mein Sohn.«
»Was hast du nur getan, Renata?« warf Mira ein. »Du hättest uns warnen sollen, schon um unserer alten Freundschaft willen!«
»Das hätte ich gern getan«, erwiderte Renata, »aber ich durfte es nicht, breda. Als Arielle von den Ridenows wegen des Kindes, das sie erwartete, verstoßen wurde und zu mir kam, da mußte ich ihr versprechen, es niemandem zu verraten, sondern ihn erst zu seinem wahren Vater zu schicken, wenn die Zeit dafür reif war. Diesen Schwur konnte ich nicht brechen. Aber ich habe die ganze Zeit über Ari gewacht. Ich hätte nie zugelassen, daß ihm etwas zustößt.«
Mira verstand: Renata besaß die Alton-Gabe, mit der sie sogar Coryn eine Zeit lang im Zaum halten konnte.
Ari starrte ausdruckslos an die Decke. »Dann wurde meine Mutter also wegen mir verstoßen. Ich bin zweifach verflucht.«
»Das darfst du dir nicht einreden«, ermahnte ihn Renata. »Ich bin hier, um dir zu erklären, was sich wirklich zwischen deiner Mutter und deinem Vater zugetragen hat.«
»Dann werde ich dich jetzt besser mit deiner Pflegemutter allein lassen.« Mira verabschiedete sich von Ari.
Sie machte sich auf die Suche nach Coryn, der ihren Beistand vermutlich dringender benötigte als der Junge. Sie fand ihn in seinen Gemächern, wo er schweigend an Baraks Seite saß. Als sie eintrat, tauschte Barak einen verständnisvollen Blick mit ihr; dann ließ er Mira mit Coryn allein.
»Coryn, ich – « setzte Mira an, aber Coryn ließ sie nicht aussprechen;
»Seit wann weißt du davon?« Er sah sie nicht an.
»Erst seitdem der Junge hier aufgetaucht ist. Sein Gesicht. Deine Züge. Diese Ähnlichkeit!«
Jetzt wandte sich Coryn ihr zu, und es traf Mira wie ein Schlag: der Schmerz stand ihm offen ins Gesicht geschrieben. »Warum nur, Mira? Warum hat sie mir nie etwas gesagt? Warum opferte sie ihr Leben für mein Kind? Wie muß sie mich gehaßt haben!«
»Sie hat dich geliebt, Coryn. Daran darfst du nie zweifeln.« Mira lehnte sich vor und wollte ihre Hand auf seine legen, aber er wich aus und schüttelte den Kopf.
»Bitte nicht, Mira.« Seine Stimme klang jetzt sanfter und unendlich traurig. »Berühr mich bitte nicht. Noch nicht. Es wird mich einige Anstrengung kosten, das zu überwinden, was ich mir selber angetan habe.«
»Möchtest du, daß ich bei dir bleibe?«
»Nein, das wird nicht nötig sein. Ich werde schon zurechtkommen.«
Mira verbeugte sich. Und sie spürte, daß er es aufrichtig meinte.
Trotz des Schmerzes und der quälenden Erinnerungen würde er schließlich damit zurechtkommen. Der Bewahrer würde seinen Frieden finden. »Ihr macht uns große Ehre, vai tenerezu.« Mit diesen Worten verließ sie ihn.
Ari war in sein Zimmer zurückgekehrt und ließ sich erschöpft auf sein Bett fallen. Er war noch zu benommen, um die ganze Tragweite dessen zu begreifen, was Lady Renata ihm enthüllt hatte. Er klammerte sich nur an den einen Gedanken – Renata hatte ihm versprochen, daß er nach einem Jahr in allen Ehren nach Aldaran zurückkehren konnte, falls er nicht im Turm zu Hali bleiben wollte.
Sie liebte ihn wirklich. Und Brenton liebte ihn. Aldaran würde immer sein Zuhause bleiben.
Aber war es das, was er wirklich wollte? Er was sich selbst nicht mehr sicher. Seine Unentschlossenheit kam ihm selber abwegig vor.
Wird mir etwas verweigert, will ich es nur umso mehr. Und bietet man es mir offen an, kann ich mich nicht entscheiden! Aber er mußte sich ja nicht heute entscheiden, tröstete er
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