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Die Tänzerin von Darkover - 9

Die Tänzerin von Darkover - 9

Titel: Die Tänzerin von Darkover - 9 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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sich um keine Patientin handelte. In diesem Fall wurde ein Diener damit beauftragt, den Ärzten mitzuteilen, was ihr fehlte.
    »Er behauptet, in seinem Essen sei … Ungeziefer«, erläuterte Julana. Mit zittriger Hand fuhr sie sich hinter ihrem Schleier übers Gesicht, als ob sie Tränen wegwischen wollte. »Ich habe ihn inständig gebeten, etwas zu essen, aber nach ein, zwei Bissen schleudert er den Teller an die Wand. Sie sehen ja selbst seinen Zustand. Überall diese wunden Stellen. Und dann kratzt er sich die Haut auf. Er meint, er habe Läuse, aber das ist Unsinn. Alles nur Einbildung.«

    »Das stimmt«, bestätigte die Dienerin, die hinter ihr stand. »Als ich ihm letzte Woche das Abendessen brachte, sagte er, es sähe aus wie Würmer.«
    »Was gab es denn?« fragte Falyn.
    »Natürlich Nudeln. Am vierten Tag des Neumonds gibt es doch immer Nudeln. Bei Ihnen etwa nicht?«
    Valeron und Falyn tauschten einen verzweifelten Blick. »Was haben Sie ihm sonst noch serviert?«
    »Reis«, sagte Julana leise. »Und das war doch immer seine Leibspeise.«
    »Und, hat er davon gegessen?«
    »Aber nein«, antwortete die Dienerin. »Diesmal beklagte er sich, es sähe aus wie Maden. Maden! Ich bitte Sie! Aber da habe ich ihm an Ort und Stelle erklärt, daß ihn selbst bald die Würmer fressen werden, wenn er nicht anständig ißt. Aber das hat ja auch nichts geholfen! Und erst gestern habe ich ihn beobachtet, wie er sich wie verrückt kratzte, obwohl da gar nichts war. Und dann starrt er stundenlang die Wand an. Ihr seht es ja selbst.«
    »Er ist wirklich zu bedauern«, stellte Valeron resignierend fest.
    »Ja, jammerschade«, pflichtete Julana ihm bei.
    »Meines Erachtens handelt es sich um eine Geisteskrankheit, die im fortgeschrittenen Alter auftritt«, erklärte Falyn pompös und ernsthaft. Er hatte diese Art lange genug geübt.
    »Ich fürchte, da läßt sich nicht mehr viel machen«, meinte Valeron.
    »Überhaupt nichts«, schloß Falyn. »Versuchen Sie wenigstens, ihm nichts vorzusetzen, das ihn gleich wieder an Würmer erinnert.«
    Julana stützte sich auf die geschnitzte Balustrade und blickte in den Garten hinaus. Die Sonne verblaßte im violetten Dämmerschein, und mit der abendlichen Kühle kehrte auch das Leben zurück. Die Nachfalken krächzten heiser und die Insekten ergriffen die Flucht.
    Julana streckte die Hand aus, und eine Libelle ließ sich anmutig auf ihren Fingerspitzen nieder.
    Diese Tageszeit war ihr am liebsten. Es waren die einzigen Augenblicke der Muße, wenn sie sich kurz von Haushalt und Zhalara fortstehlen konnte. Meist verdöste er den ganzen Nachmittag, bis sie ihn zum Abendessen rief. Was würde nach seinem Tod geschehen, fragte sie sich. Was würde aus ihr und ihrem Sohn werden? Sie war sich sicher, daß es ein Sohn werden würde, und bis er volljährig wurde, hoffte sie, frei zu sein, so weit das einer Frau in den Trockenstädten überhaupt möglich war. Vielleicht würde es ihr ja gelingen, zu den Verwandten ihrer Mutter in den Domänen zu fliehen. Einzig diese Hoffnung hatte ihr die Kraft gegeben, die langen Monate ihrer abscheulichen Ehe durchzustehen.
    Julana hatte ihren Vater angefleht, sie nicht zu der Heirat mit Zhalara zu zwingen. Sie hatte den alten Fettkloß von Anfang an verabscheut. Sie brauchte nur an ihren Hochzeitstag zu denken und schon schnürte es ihr vor Zorn die Kehle zu. Womit hatte sie das nur verdient? Als er die goldene Kette um ihr Handgelenk legte, die das Band der Ehe symbolisierte, hätte sie am liebsten aufgeschrien und wie ein in die Enge getriebenes Tier um sich gebissen. Und dann erst die Nacht, die folgte! Bei der Erinnerung daran wurde ihr noch immer schlecht. Dabei hatte sie noch nicht einmal genau gewußt, was von ihr erwartet wurde. Zhalaras schweinisches Betatschen war nur schmerzhaft und abstoßend. Der Gedanke, sie müsse eine solche Behandlung ihr Leben lang erdulden, war einfach unerträglich.
    Aber es kam noch schlimmer. Sie mußte erkennen, daß Zhalara nicht nur alt und häßlich, sondern auch grausam war. Julana erinnerte sich, wie ihre Mutter einmal zu ihrem Vater sagte: »Bei einem Mann seines Alters ist allenfalls die Gesinnung steif!« Damals hatte sie das nicht verstanden, aber nun wußte sie nur zu gut, was Allira damit gemeint hatte. Und natürlich hatte Zhalara seine Frustration mit Fäusten an ihr ausgelassen. Als er sie das erste Mal schlug, hatte sich Julana verkrochen und geheult. Beim zweiten Mal, sie war bereits schwanger und

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