Die Tänzerin von Darkover - 9
bemerkte, wie der Junge blaß wurde, als er aufstand, um ihr zu folgen. »Er ist kein Unmensch«, beruhigte sie ihn, aber ihre Stimme klang schärfer, als sie es beabsichtigt hatte.
»Gewiß nicht, vai leronis. Er war wohl auch mit meiner Pflegemutter und meiner leiblichen Mutter befreundet. Zumindest hat man mir das gesagt.«
»Ja, das war er bestimmt«, lächelte Mira jetzt, milder gestimmt, während sie die Türe hinter Ari schloß.
Sie führte ihn den Flur entlang zu einem kleinen Zimmer, in dem Coryn und Barak auf sie warteten. Alle drei trugen ihre Matrix-Roben: Coryn im Scharlachrot des Bewahrers, Barak im Technikerblau, und Mira die weiße Robe einer Überwacherin. Nur Ari schien fehl am Platz, er wirkte hilflos und verstört. Ach Renata, er ist so verletzlich. Mira schirmte ihre Gedanken sorgsam gegen die anderen ab. Wie konntest du ihn nur allein hierher schicken?
Dann konzentrierte sie sich auf Coryn. Fast hielt sie den Atem an, als der Bewahrer den Jungen das erste Mal flüchtig betrachtete.
Aber was Mira halb ersehnt, halb befürchtete hatte, trat nicht ein.
Coryn zeigte keinerlei sichtbare Reaktion. »Du siehst deiner Mutter nicht sehr ähnlich«, war alles, was Coryn sagte.
Mira hatte gehofft, es würde genügen, den Jungen Coryn einfach nur vorzustellen. Sie warf Barak einen Blick zu, aber dieser zuckte nur mit den Achseln. Sie hatten Stunden damit verbracht, einen geeigneten Weg zu finden, Coryn Aris wahre Vaterschaft beizubringen. Schließlich waren sie zu dem Schluß gekommen, daß an einer direkten Gegenüberstellung nichts vorbeiführte. Coryn war zu stolz und eigensämig, um zu glauben, was er nicht selbst erlebte.
Das aber bedeutete, daß nun Coryn mit dem Jungen Gedankenverbindung aufnehmen würde.
Mira gab Barak ein Zeichen, und er trat einen Schritt vor. »Wirst du jetzt mit der Prüfung beginnen?« fragte er Coryn.
Der Bewahrer nickte. »Dräng mich nicht, Barak. Warum bestehst du überhaupt darauf, anwesend zu sein? Eine Überwacherin reicht vollkommen aus.«
»Ich habe meine Gründe«, entgegnete Barak entschlossen und verschränkte die Arme. Mira war froh, einen so standfesten Verbündeten zu haben. Selbst Coryn war es nie gelungen, Barak von etwas abzuhalten, das er sich einmal in den Kopf gesetzt hatte.
»Nun, wie du willst«, entschied Coryn. Er nahm einen unverschlüsselten Sternenstein aus der Tasche seiner Robe und wandte sich Ari zu. »Zeige mir jetzt, wie du deine Schwingungen an meine angleichst.«
»Jawohl, vai tenerezu.« Ari antwortete laut und klar, und Mira war erfreut, die Stärke in seiner Stimme zu hören. Sie wußte, daß er, wie die meisten außerhalb des Turms, vor Coryn Angst hatte, aber er ließ es sich nicht anmerken.
Während Coryn und Ari ihr Bewußtsein in den Sternenstein strömen und verschmelzen ließen, folgte Mira ihnen, nahm aber gleichzeitig Kontakt mit Barak auf. Und dann, als der schreckliche Augenblick der Erkenntnis die Verbindung zwischen dem Bewahrer und dem Jungen erschütterte, hielten Mira und Barak Coryn mit vereinten Geisteskräften zurück.
Der Bewahrer sprang auf. Sein Gesicht war kreidebleich, was die geröteten Narben nur um so erschreckender hervortreten ließ. Er riß sich aus Miras und Baraks geistiger Umklammerung los. »Ihr Götter, nein! Arielle!« brach es aus ihm heraus. »Warum? Warum hast du mir das verschwiegen?«
Ari sackte zusammen und verlor beinahe das Bewußtsein, als der Rückschlag ihn traf, aber Barak und Mira konnten ihn vor dem Schlimmsten bewahren. Kümmere dich um Coryn, wies Mira Barak an, während sie die Arme um den geschlagenen Jungen legte.
Coryn stürmte aus dem Zimmer. »Coryn, warte!« rief Barak und stürzte hinter ihm her. Mira nahm noch verschwommen wahr, wie Barak Coryn telepathisch suchte, ihn fand, Kontakt aufnahm und ihn beruhigte; dann widmete sie ihre ganze Aufmerksamkeit Ari.
»Mein Vater?« flüsterte Ari. »Gerechte Götter! Deshalb also hat mich Lady Renata fortgeschickt. Soll aus mir denn auch so ein Monster werden?«
Mira schaute ihm tief in die graugrünen Augen. »Was redest du da! Er ist kein Monster! Coryn besitzt viele hervorragende Eigenschaften. Und das gilt auch für dich.«
»Aber warum hat meine Pflegemutter mir nie etwas davon erzählt? All die Jahre konnte ich nicht begreifen, warum die Ridenows mich nicht aufnehmen wollten.« Eine einzelne Träne rann ihm über die Wange, die er aber sogleich zornig wegwischte. »All die Jahre!«
Im leichten Rapport mit ihm
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