Die Tätowierung
Irene war dankbar, dass Tom mit dem Leben davongekommen war.
Nach zwei Bechern Kaffee rief sie bei den Kollegen in Vesterbro an. Jens Metz war a m Apparat, genau wie Irene das erwartet hatte. Schließlich war er der Stellvertreter von Beate Bent s en, solange diese krank g eschrieben war.
»Hallo. Hier ist Irene Huss. W i r haben uns vor einigen Stunden mit der Mutter von S ebastian Martinsson unterhalten. Es gibt gute Gründe, anzuneh m en, dass sich Sebastian im Augenblick in Kopenhagen aufhält. Sie behauptet, dass er an ein e r ge w i ssen Krü g erakade m ie Kunst studiert.«
»Krügerakade m i e? Nie gehört, aber das kriegen wir schnell raus. Sonst noch was ? «
» W ir fahren jetzt zu einem alten Haus, das Martinssons Mutter gehört. Mein Kollege glaubt, dass Marcus Tosscander dort z e rst üc kelt wurde.«
» W ir sind uns jetzt fast vollkom m en sicher, dass Ca r m en in die s er alten stillgele g ten W erft zerstüc k elt wurde. W i r haben den Raum m it dem Video verglichen, und das m eiste sti mm t . Haben Sie i r gendeine Adresse, unter der wir Sebastian suchen können ? «
»Nein. Die Mutter ist Alkoholikerin und war bei der Verneh m ung vollkom m en betrunken. Sie hatte keine Ahnung, wo er in Kopenhagen wohnt.«
»Dann m üs s en wir versuchen, ihn über diese A kade m ie aus f indig zu m achen. Aber da ist jetzt ver m utli c h nie m and m ehr. Kurz vor vi e r an einem Freit a gnach m ittag im Juni! Sicher ist die Schule den Som m er über geschlossen.«
»Sehr wahrscheinlich. S chönes W o c henende. Bis bald.«
Hannu saß über eine Karte gebeugt, als Irene sein Zim m er betrat. Er deutete m it dem Zeigefinger auf einen Punkt der Karte und sagte: »Hier.«
Irene beugte sich vor und sah, dass er die Detailkarte des nördlichen und östlichen Hisingen herausgesucht hatte. Sein Zeigefinger befand sich fast an der Küste.
» W ir m üssen am Schießpla t z von Björlanda vorbei. Dann geht es eine Menge sch m aler Straßen entlang. W i r neh m en die Karte m it«, m einte Irene. Hannu nickte und stec k te sie in die Inne nt asche seiner Jacke.
Es war sonnig und klar, aber vom Meer kam ein kalter W i nd. Falls m an das üb e rhaupt noch Meer nennen konnte, so nahe w a ren sie der Fluss m ündung. Irene fand, das Wasser habe eine braunere Färbung, aber das war vielleicht nur Einbildung.
Das letzte Stück waren sie auf einer Schotter s tra ß e gefahren, die stark überwachsen war. Die einzigen Häuser am W eg erinnerten m ehr an L auben in Schreber g ärten. Sie sahen alt und verfallen aus. Nur fünfzig Meter von den Klippen entfernt, dem Wasser am nächsten, lag das Haus von Sabine Martinsson. Oder das, was von ihm noch übrig war. Offenbar hatte es sich auch hier um ein kleines Som m erhaus gehandelt, aber jetzt war von diesem nur noch ein halb eingestürzter S c hornstein übrig, der wie ein anklagender Finger in den H i m m el zeigte.
»Vor zwanzig Jahren abgebrannt. K eine Versicherung«, sagte Hannu.
Sie parkten vor der Ruine und stiegen aus dem Auto.
»Da«, sagte Hannu.
Er deutete auf eine verfallene Garage, die weiter hinten auf d e m G r undstück stand. Sie war zie m lich klein, aber solide aus Beton erric h tet. Das Dach war aus Wellblec h . Es war rostbraun, und durch ein L och flog ein kleiner Vogel.
Das Holz der Tür hatte Risse, aber das Vorhängeschloss war neu und stabil. Hannu ging zurück zum Wagen und holte ein Brecheisen. Dieses schob er in den Spalt neben dem Schloss und m achte einen kräftigen Ruck. Mit einem leisen Knirschen löste sich das Schloss von der Tür und f i el zu Bo d en. Die Sc h arni e re k rei s chten wid erw illig, als er die b eiden Türhälften öffnete.
Ganz hinten oben an der W and war ein Fenster. An den Wänden links und rechts stand Gerü m pel. Direkt neben der Tür lagen zwei Holzb l öcke. Gegenüber lehnte eine große Spanplatte gegen die Mauer.
Hannu stand genauso reglos w i e Irene. Er sah sich nur um und betrat die Garage nicht. Plötzlich streckte er den A r m aus und deutete auf das Fenster: »Schau.«
Obwohl der Junihim m el noch hell war, sah Irene durch das sch m u t zige Glas die blinkenden Lichter eines landenden F l ugzeugs.
KAPITEL 20
Monika Lind rief am Wochenende ein m al an und fragte, warum ihr Hund nachts nicht in d em Korb liegen wollte, den sie eigens für ihn angeschafft hatten. Er sei nur heru m getappst und hätte gejault. Erst als sie ihn zu sich ins Bett genommen hätten, wären alle vollkom
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