Die Taeuschung
liebte es, in kleinen Antikgeschäften oder Kunstgewerbeläden
zu stöbern, schöne Dinge zu entdecken und nach Hause zu
tragen und an dem Nest zu bauen, das sie sich zusammen mit
Peter geschaffen hatte.
Wie schön es ist, dachte sie nun wieder, und wie friedlich.
Die neuen Vorhänge sehen wunderschön aus.
Sie hatte sie am Vortag von Peters Abreise geholt, aus einem
italienischen Geschäft. Sie waren sündteuer gewesen, aber sie
fand, daß sie ihr Geld wert waren. Mit großer Mühe hatte sie
sie aufgehängt und abends darauf gewartet, was Peter sagen
würde, aber er hatte sie zunächst überhaupt nicht bemerkt. Er
war sehr in Gedanken gewesen, als er gegen acht Uhr aus dem
Büro kam. Irgend etwas schien ihn heftig zu beschäftigen;
Laura nahm an, daß es die bevorstehende Reise war. Jetzt, da
sie so im Wohnzimmer stand und ihren Schnaps trank, langsam
und widerwillig, weil sie Schnaps eigentlich nicht mochte, sah
sie es wieder genau vor sich: Sie standen hier gemeinsam, fast
an der gleichen Stelle, an der sie nun allein stand.
»Fällt dir nichts auf?« fragte sie.
Peter sah sich um. Sein Gesicht war müde, er schien
geistesabwesend. »Nein. Sollte mir etwas auffallen?«
Sie war natürlich etwas enttäuscht, aber sie sagte sich, daß er
in Gedanken längst auf dem Segelboot war, und daß ihm die
Vorfreude auf seinen Urlaub auch zustand.
»Wir hatten doch immer gesagt, daß die blauen Vorhänge
nicht so schön zum Teppich passen«, half sie ihm auf die
Sprünge.
Endlich glitt sein Blick zu den Fenstern.
»Oh«, sagte er, »neue Vorhänge.«
»Gefallen sie dir?«
»Sie sind sehr schön. Wie gemacht für dieses Zimmer.«
Irgendwie klang es unecht. Als täusche er nur vor, erfreut zu
sein. Aber vielleicht bildete sie sich das auch nur ein.
»Ich habe sie aus diesem italienischen Einrichtungsgeschäft.
Weißt du? Ich hatte dir davon erzählt.«
»Ja, richtig. Sehr apart, wirklich.«
»Ich habe dir die Rechnung auf den Schreibtisch gelegt«,
sagte sie.
»Okay.« Er nickte zerstreut. »Ich werde jetzt meine Sachen
für die Reise packen. Ich will nicht zu spät ins Bett.«
»Könntest du die Überweisung noch fertig machen? Sonst
wird es vielleicht ein bißchen spät, bis du wieder zu Hause
bist.«
»Alles klar. Ich denke daran.« Er verließ langsam das
Zimmer.
Die Überweisung fiel ihr nun auf einmal wieder ein.
Paradoxerweise hatte ihr der Alkohol einen klaren Kopf
verschafft. Die kurze panische Anwandlung wegen ihres
Alleinseins war verschwunden. Sie konnte wieder nüchtern
denken, und obwohl die Frage nach der Rechnung nicht
wirklich bedeutsam war, ging sie hinüber ins Arbeitszimmer,
um nachzusehen, ob sie erledigt war.
Das Arbeitszimmer war ein kleiner Raum zwischen Küche
und Wohnzimmer, zum Garten hin ganz verglast und
ursprünglich als eine Art Wintergarten gedacht. Laura hatte
einen schönen alten Sekretär, den sie vor Jahren in
Südfrankreich entdeckt hatte, hineingestellt, dazu ein hölzernes
Regal und einen kuscheligen Sessel. Sie teilte sich dieses
Zimmer mit Peter: Hier machte sie die Buchhaltung, hier
arbeitete Peter an den Wochenenden oder am Abend.
Sie knipste das Licht an und sah sofort, daß die Rechnung
noch auf dem Tisch lag. Genau da, wo sie sie hingelegt hatte.
Vermutlich hatte Peter sie nicht einmal angesehen, geschweige
denn bezahlt.
Es war ein ungünstiger Tag, dachte sie, so kurz vor der
Abreise. Da hatte er einfach andere Dinge im Kopf.
Langsam stieg sie wieder die Treppe hinauf. Vielleicht
würde der Schnaps ihr helfen, endlich einzuschlafen.
Es blieb bei dem Wunsch. Sie lag wach bis zum
Morgengrauen. Um sechs Uhr stand sie auf, vergewisserte sich,
daß Sophie noch schlief, und ging zum Joggen. Es regnete
noch immer, und der Wind schien kälter geworden zu sein seit
dem vergangenen Tag.
2
Es regnete an diesem Sonntagmorgen auch an der Côte de
Provence. Nach der langen trockenen, sommerlichen Periode
brachte diese zweite Oktoberwoche nun den Wetterwechsel.
Die Natur brauchte den Regen zweifellos.
Die Wolken ballten sich an den Bergen des Hinterlandes,
hingen schwer über den Hängen. Die Weinberge mit ihrem
bunten Laub leuchteten nicht wie sonst in der Herbstsonne,
sondern blickten trübe unter nassen Schleiern hervor. Auf
Straßen und Feldwegen standen Pfützen. Der Wind kam von
Osten, was bedeutete, daß sich das schlechte Wetter zunächst
festsetzen würde.
Cathérine Michaud war früh aufgestanden, wie es ihre
Gewohnheit war.
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