Die Taeuschung
auch noch nicht da.«
»Soviel ich weiß, hat Peter dafür einen Dauerauftrag
eingerichtet«, sagte Laura, »vielleicht ist der Bank irgendein
Fehler unterlaufen.«
»Den Dauerauftrag gibt es schon seit einem Jahr nicht
mehr«, erklärte Britta und konnte ihren Triumph über diesen
Wissensvorsprung gegenüber der aktuellen Ehefrau kaum
verbergen. »Peter überweist selbst und leider fast immer mit
einiger Verspätung. Es ist schon manchmal ärgerlich, wie lange
ich auf mein Geld warten muß. Es ist auch für Oliver nicht gut.
Es erschüttert das Vertrauen, das er trotz allem noch immer in
seinen Vater hat, wenn ich ihm erkläre, daß ich ihm irgend
etwas nicht kaufen kann, weil Peter wieder einmal mit dem
Unterhalt in Verzug ist!«
Laura mußte sich beherrschen, um ihr nicht eine patzige
Antwort zu geben. Sie wußte, daß Britta als Leiterin einer
Bankfiliale recht gut verdiente und kaum je in die Verlegenheit
kommen dürfte, ihrem Sohn einen Wunsch abschlagen zu
müssen, nur weil Peter sein Geld ein paar Tage zu spät
überwies. Wenn sie es dennoch tat, so konnte dies nur dem
Zweck dienen, das Bild, das Oliver von seinem Vater hatte,
negativ zu beeinflussen.
»Ich werde mit Peter sprechen, sowie er sich meldet«, sagte
Laura, »er wird Sie dann anrufen. Ich bin sicher, es gibt
irgendeine ganz harmlose Erklärung.«
»Vielleicht ruft er ja doch noch heute abend an«, meinte
Britta spitz. Aus der Art, wie sich Laura gemeldet hatte, hatte
sie natürlich geschlossen, daß Laura dringend auf einen Anruf
wartete und schon ein wenig entnervt war. »Ich wünsche es
Ihnen jedenfalls. Er kann mich dann morgen zu Hause
erreichen. Gute Nacht.« Sie legte auf, noch ehe Laura sich
ebenfalls verabschieden konnte.
»Schlange!« sagte Laura inbrünstig und hängte ein.
Peter hätte mir sagen können, daß er den Dauerauftrag
gekündigt hat, dachte sie, dann hätte ich jetzt nicht so dumm
dagestanden.
Aber hatte sie überhaupt dumm dagestanden? Und war die
Kündigung eines Dauerauftrages wichtig genug, daß Peter sich
hätte veranlaßt sehen müssen, dies zu erwähnen? Es mochte
ihre übliche Empfindlichkeit sein, die wieder einmal das
Gefühl aufkommen ließ, schlecht behandelt worden zu sein.
Niemand außer ihr hätte so empfunden. Jede andere Frau hätte
die Angelegenheit als das gesehen, was sie war: eine
Schlamperei mit der Zahlung. Eine Ex-Frau, die Gift spritzte,
weil sie sich nicht damit abfinden konnte, daß ihr geschiedener
Mann in einer zweiten Ehe glücklich geworden war, während
sie selbst wohl für immer allein bleiben würde.
Ich muß aufhören, sagte sich Laura, dieser Frau gegenüber
Minderwertigkeitsgefühle zu haben. Sie ist viel älter als ich, sie
ist frustriert und wahrscheinlich ziemlich unglücklich. Sie hat
sich ihr Leben ganz anders vorgestellt, als es nun verlaufen ist.
Sie schaute noch einmal in Sophies Zimmer, doch dort war
alles wie zuvor; die Kleine schlief und hatte heiße, rote
Bäckchen, die sie immer bekam, wenn sie sich tief im Traum
befand.
Laura ging ins Schlafzimmer. Kurz betrachtete sie das
gerahmte Photo von Peter, das auf ihrem Nachttisch stand. Es
zeigte ihn an Bord der Vivace, dem Schiff, das ihm und
Christopher gemeinsam gehörte. Eigentlich war auch
Christopher auf dem Bild gewesen, aber sie hatte ihn
weggeschnitten, und man sah am Rand nur noch ein Stück von
seinem Arm und seine Hand. Peter trug ein blaues Hemd und
hatte einen weißen, grobgestrickten Pullover lässig um die
Schultern geknotet. Er lachte. Seine Haut war gebräunt, er sah
gesund und zufrieden aus. Im Einklang mit sich selbst,
ungekünstelt und unverstellt. Er hatte sein Vivace-Gesicht. So
sah er immer aus, wenn er sich an Bord des Schiffs befand.
Manchmal war es, als werde er dann ein neuer Mensch.
»Schiffsplanken unter den Füßen«, pflegte er zu sagen, »ein
im Wind flatterndes Segel und die Schreie der Möwen. Mehr
brauche ich nicht, um glücklich zu sein.«
Jedesmal tat es ihr weh, daß sie in dieser Aufzählung nicht
vorkam. Einmal hatte sie gesagt: »Und mich? Mich brauchst du
nicht, um glücklich zu sein?«
Er hatte sie groß angeschaut. »Das ist doch eine ganz andere
Ebene. Das weißt du doch.«
Sie legte sich ins Bett und zog die Decke bis zum Kinn.
Draußen konnte sie den Regen rauschen hören. Es war kalt im
Zimmer, sie hatte den ganzen Tag das Fenster offen gelassen,
und die Heizung war noch nicht wieder eingeschaltet. Aber
sicher würde sie gut
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