Die Taeuschung
von hinten an sie
heran und legte beide Arme um sie. Sie blickte auf seine
braungebrannten Handgelenke hinunter. In ihr erwachte der
Wunsch, sich fallen zu lassen. Und mochten es nur Minuten
sein, in denen sie dem Alptraum würde entkommen können –
es erschien ihr als größtes Geschenk, loszulassen, aufgefangen
zu werden, schwach sein zu dürfen und Schutz zu finden vor
all dem, was sie jagte und bedrängte. Nur für einen Moment,
nur für einen kurzen Moment ...
»Du bist so schön«, flüsterte er an ihrem Ohr, »du bist so
wunderschön ...«
»Das geht nicht«, sagte sie, als sich seine Hände langsam
zwischen ihre Beine schoben.
»Und warum nicht?«
»Du bist ... du warst Peters bester Freund ... er ist seit einer
Woche tot ... ich ... wir können das nicht machen ...«
Die Stimme an ihrem Ohr veränderte um nichts ihren
weichen, lockenden Klang. »Peter war ein Schwein. Er hat dich
über Jahre betrogen. Und nicht nur dich. Er hat auch euer Kind
betrogen, und er hat eure Familie zerstört. Er ist es nicht wert,
daß um ihn getrauert wird. Er hat alles gehabt und hat alles
verspielt ...« Seine Hände streichelten sie sehr sanft zwischen
den Beinen. Ihre Lust erwachte von einer Sekunde zur anderen,
und an einem plötzlichen scharfen Atemzug an ihrem Hals
erkannte sie, daß er das Kribbeln auf ihrer Haut und das jähe
Aufrichten all der feinen Härchen bemerkt und richtig gedeutet
hatte.
»Tu, was du möchtest«, flüsterte er, »du hast es so lang nicht
mehr getan. Tu endlich, was du möchtest ...«
Sie wollte von diesen kräftigen Händen gehalten werden. Sie
wollte vergessen. Sie wollte sich auflösen. Sie wollte den
Schmerz nicht länger spüren. Die Demütigung nicht, und auch
nicht die Angst.
Sie wandte sich langsam zu ihm um, ließ es zu, daß er ihre
Hose hinunterstreifte, ganz vorsichtig ihren Slip über die
Schenkel nach unten schob. Er ließ seine Hände über ihren
Bauch gleiten, sie schienen eine glühende Spur zu hinterlassen;
er umschloß mit seinen Fingern ihre Brüste, die sich
aufgerichtet hatten und anzuschwellen schienen.
Es machte ihm keine Mühe, sie hochzuheben und auf die
Arbeitsfläche zu setzen. Sie lehnte sich zurück, berührte mit
dem Kopf irgendwelche Küchengeräte, die hinter ihr an der
Wand hingen, bemerkte aber kaum, daß die Ränder in ihre
Haut drücken. Christopher legte ihre Beine über seine
Schultern und drang mit einer so hastigen, heftigen Bewegung
in sie ein, daß sie aufschrie – vor Überraschung, vor Schmerz
und vor Lust.
Und während sie so dalag, unbequem und verrenkt und – wie
sie vermutete – ungünstig beleuchtet vom Licht in der
Dunstabzugshaube, wußte sie, daß sie nicht den besten, aber
den wichtigsten Sex in ihrem Leben hatte. Es war vor allem
anderen Triumph, der sie erfüllte, und der Gedanke, daß die
Erniedrigung, die Peter ihr zugefügt hatte, in diesem Moment
von ihr genommen wurde, durch nichts als den Umstand, daß
sie sich von seinem besten Freund auf ihrer
Küchenarbeitsfläche bumsen ließ und daß er es gehaßt hätte,
sie beide so zu sehen.
»Ich liebe dich«, flüsterte Christopher, als er schwer atmend
über sie sank und sein schweißnasses Gesicht auf ihre Brust
preßte.
Sie hatte keinen Höhepunkt gehabt, aber dafür ihre Rache,
und das war das weit bessere Gefühl. Sie mochte auf seine
Liebeserklärung nicht reagieren, sondern kraulte ihm nur die
feuchten Haare und hoffte, daß er dies als Zärtlichkeit
empfand. Sie wünschte, er wäre jetzt sofort gegangen, denn sie
wollte allein sein mit ihren großartigen Empfindungen, aber sie
konnte ihn wohl nicht gleich fortschicken. Inzwischen spürte
sie deutlich die Küchengeräte an der Kopfhaut und die
Knochen der Wirbelsäule auf den harten Kacheln.
Sehr lange würde sie in dieser Position nicht mehr verharren
können.
»Christopher«, flüsterte sie und bewegte sich ein wenig, um
ihm anzudeuten, daß sie gern wieder von der Spüle
heruntergerutscht wäre.
Er hob den Kopf und sah sie an. Sie erschrak fast vor dem
Ausdruck seines Gesichts, vor seinen flammenden Augen, den
schmalen, weißen Lippen.
»Christopher«, sagte sie noch einmal, und diesmal klang ihre
Stimme beunruhigt.
Er preßte ihre Hand so fest, daß es weh tat.
»Wann heiraten wir?« fragte er.
Sie riß die Augen auf und starrte ihn fassungslos an.
Dienstag, 16. Oktober
1
Er hatte die ganze Nacht nicht geschlafen und sich nur in den
Kissen herumgewälzt, und um sechs
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