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Die Taeuschung

Die Taeuschung

Titel: Die Taeuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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irgendwie überzeugt, in massiven Schwierigkeiten zu
stecken, ohne daß sie hätte erklären können, worin diese genau
bestanden. Anne kannte Christopher nicht. Sonst hätte sie
vielleicht begriffen, daß ...
Was eigentlich? fragte sich Laura. Was dramatisiere ich da
schon wieder? Christopher hat sich in mich verliebt, aber ich
mich nicht in ihn, und diese Konstellation gibt es tausendfach
auf der Welt. Hätte ich über seine Gefühle Bescheid gewußt,
hätte ich nicht mit ihm geschlafen, aber nun ist es passiert, und
er wird es überleben.
»Ach, Anne«, seufzte sie, »zur Zeit sehe ich wohl alles ein
bißchen schwarz. Ich hoffe, die Polizei läßt mich bald abreisen.
Ich möchte nach Hause. Ich brauche mein Kind, und ich
brauche dich. Abgesehen davon muß ich sicher eine Menge
regeln.«
»Wenn du magst, regeln wir die Dinge zusammen«, bot
Anne an, »ich bin für dich da, das weißt du. Und mein altes
Angebot wegen eines gemeinsamen Photostudios steht immer
noch. Im übrigen kannst du auch gern bei mir unterschlüpfen,
wenn du dein hübsches Häuschen im Villenvorort räumen
mußt. Ich habe genug Platz für dich und Sophie, und du
könntest in aller Ruhe etwas Neues suchen.«
»Danke«, sagte Laura leise, »wenn es dich nicht gäbe, würde
ich mich um so vieles elender fühlen. Durch dich habe ich
einfach die Hoffnung, daß es weitergehen wird.«
»Es wird nicht nur weitergehen, es wird ein ganz neues und
viel besseres Leben«, prophezeite Anne. »Du wirst wieder jung
sein. Das kann ich dir versprechen.«
Sie verabschiedeten sich, und Laura registrierte erleichtert,
um wie vieles ruhiger und zuversichtlicher sie sich fühlte. Wie
sehr hatte Peter Anne gehaßt. Aber es war ihm nie gelungen,
sie aus dem Leben seiner Frau zu entfernen. Und nun erwies
sie sich als der Rettungsanker.
Laura hatte kaum den Hörer auf die Gabel zurückgelegt, da
klingelte der Apparat bereits. Sie zuckte zusammen.
Wahrscheinlich war es ihre Mutter, wer sonst würde sie so früh
anrufen?
Wie immer, wenn ihr ein Gespräch mit Elisabeth bevorstand,
fühlte sich Laura beklommen. Sie meldete sich mit einer
Stimme, die ein wenig so klang, als habe sie Watte verschluckt.
»Ja, hallo?«
Auf das, was dann folgte, war sie nicht im mindesten
vorbereitet. Jemand brüllte sie an in schrillen, hohen und – ja,
das war das Seltsame daran – schrecklich verzweifelten Tönen.
Zuerst erkannte sie auch überhaupt nicht, wer da in der
Leitung war.
»Mit wem hast du gesprochen? Mit wem hast du um diese
Uhrzeit gesprochen? Antworte mir! Antworte mir sofort!«
5
    Brennender Durst weckte Monique, jedenfalls schien es ihr so,
aber es konnte auch die Kälte gewesen sein oder der Schmerz
in ihren steifen, verrenkten Gliedern. Automatisch hielt sie als
erstes das Handgelenk mit der Uhr an ihr Ohr, lauschte dem
gleichmäßigen Ticken. Noch immer hatte sie nicht die
geringste Ahnung, wieviel Zeit seit ihrer Entführung vergangen
war, ob es Tag oder Nacht war, ob Sonne oder Mond draußen
schienen, und gegen das immer stärker drohende Gefühl des
Wahnsinns half ihr nichts als das Ticken der Uhr.
    Nach dem Schock mit den eingelegten Essiggurken war es
ihr einige Zeit später gelungen, ein Glas mit eingemachten
Pfirsichen zu öffnen. Nie zuvor im Leben war ihr etwas so
köstlich und so belebend erschienen wie der dicke, süße, kalte
Saft, der ihre verdorrte Kehle hinunterrann, und wie die
prallen, feuchten Pfirsichstücke, die ihr zumindest für
Augenblicke den schlimmsten und quälendsten Hunger
nahmen.
    Ich werde überleben, hatte sie gedacht, fast euphorisch, ich
werde überleben!
Die Suche nach dem Glas in der undurchdringlichen
Finsternis hatte sie tief erschöpft, und als sie sich in die Ecke
gekauert hatte, war sie fast übergangslos eingeschlafen. Wie
viele Stunden ihr Schlaf gedauert hatte, wußte sie nicht. Es
erschütterte sie jedoch zu bemerken, wie heftig der Durst schon
wieder brannte.
Der Zucker, dachte sie, die Pfirsiche waren stark gesüßt.
Aber gleichgültig, sie hatte keine Wahl, sie mußte hoffen,
erneut an ein Glas mit Obst zu gelangen, Zucker hin oder her.
Es ging ums Überleben.
Der Hunger verursachte ihr Krämpfe im Magen, als sie sich
auf allen vieren in die Richtung bewegte, in der sie das Regal
vermutete.
Einmal hielt sie inne, weil sie meinte, ein Geräusch aus dem
Haus vernommen zu haben, aber es blieb alles still, und sie
nahm an, daß sie sich getäuscht hatte. Vielleicht

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