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Die Taeuschung

Die Taeuschung

Titel: Die Taeuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Uhr am Morgen hielt er es
nicht mehr aus und stand auf. Draußen herrschte noch tiefe
Dunkelheit, aber soweit er das erkennen konnte, hielt das kalte,
trockene Wetter an. Wie schön. Die Sonne paßte zu seinem
Aufbruch in ein neues Leben.
    Er hätte gern bei Laura übernachtet, hätte sie nach dem
hastigen Akt in der Küche am liebsten noch einmal in ihrem
Bett geliebt, zärtlicher und ruhiger diesmal, und dann wäre sie
in seinen Armen eingeschlafen und er hätte ihren Schlaf
beobachten können, ihrem Atem lauschen, ihr Gesicht
betrachten, wenn es entspannt war und weich. Sie wären
zusammen aufgewacht, einer an den anderen geschmiegt, und
dann hätten sie zusammen Kaffee im Bett getrunken und durch
das Fenster dem Herandämmern des Morgens zugeschaut.
    Aber sie hatte allein sein wollen, und er hatte akzeptiert, daß
die Entwicklung der Dinge vielleicht zu rasch gegangen war
für sie und daß sie ein wenig Zeit brauchte, sich
zurechtzufinden.
    Jetzt, da sein Ziel zum Greifen nahe lag, vermochte er es
kaum mehr auszuhalten. Endlich würde er wieder
Geborgenheit empfinden, endlich wieder im Zusammenhalt
einer Familie leben. Er hatte es so lange vermißt, so lange
ersehnt, daß er sich nun fragte, wie er überhaupt hatte
existieren können in all den Jahren. Es war die schlimmste Zeit
seines Lebens gewesen, aber nun war sie vorbei, und er würde
alles daransetzen, sie zu vergessen.
    Er erinnerte sich ihres überraschten Gesichts, als er sie
fragte, wann sie heiraten wollten. Sie war sprachlos gewesen,
hatte sich dann unter ihm weg und von der Küchenablage
herunter gewunden, sich angezogen, mit beiden Händen
versucht, ihre wirren Haare zu glätten. Ihre Bewegungen waren
hektisch gewesen, und in ihm war so unendlich viel
Zärtlichkeit für sie erwacht. Sie war verlegen, natürlich, sie war
keine leichtfertige Frau, es war ihr peinlich, die Kontrolle
verloren zu haben. Deshalb sollte sie auch gleich wissen, wie
ernst es ihm war, daß er keine billige Affäre gesucht hatte,
keinen unverbindlichen Sex. Sie sollte wissen, daß er die
gleichen Gefühle für sie hegte wie sie für ihn und das ihre
Liebe für die Ewigkeit geschaffen war.
    Da sie emotional überfordert schien und keine Erwiderung
fand, hatte er ihr schließlich sehr sanft über die Haare
gestrichen.
    »Möchtest du allein sein?« hatte er gefragt und natürlich
gehofft, sie werde dies verneinen, aber sie hatte recht rasch Ja! gesagt, und er war gegangen – mit federnden Schritten und
getrieben von dem Wunsch, sein Glück in die kalte
Oktobernacht hinauszuschreien, sein Glück darüber, daß eine
lange Leidenszeit vorüberging und daß ihm das Leben wieder
offen stand.
    Am liebsten hätte er sie jetzt sofort angerufen, aber er
beherrschte sich; schließlich war es noch sehr früh am Morgen,
und sie schlief vielleicht noch tief und fest.
    Er ging in die Küche und schaltete die Kaffeemaschine ein.
Er nahm sich einen Joghurt aus dem Kühlschrank und mixte
ihn in einer Schüssel mit seinem Müsli. Als er fertig war,
stellte er fest, daß er vermutlich kaum in der Lagesein würde,
etwas zu essen, und kippte alles in den Abfalleimer. Er war viel
zu ruhelos. Wenn er nur endlich anrufen, endlich ihre Stimme
hören könnte! Er schaute auf die Uhr. Es war zwanzig Minuten
nach sechs. Um sieben würde er anrufen. Länger könnte er es
nicht aushalten.
    Er trank seinen Kaffee im Stehen im Wohnzimmer, den
Kopf an die Vorhänge am Fenster gelehnt. Er starrte hinaus auf
die dunkle Straße, auf der sich noch kein Leben regte. Irgend
etwas nagte in seinem Unterbewußtsein, irgend etwas, das ihm
Unbehagen verursachte, etwas, das nicht zu all der Freude, zu
dem Glück paßte, das er empfand. Dann fiel es ihm ein:
Richtig, die Person unten in seinem Keller! Die hatte er völlig
vergessen. Er kaute nervös an seinen Fingernägeln. Er mußte
sich überlegen, was er mit ihr machte.
    Aber nicht jetzt. Jetzt war er viel zu fiebrig. Wieder schaute
er auf die Uhr. Hatten sich die Zeiger je mit solch aufreizender
Langsamkeit bewegt?
Wann war es endlich sieben Uhr?
     
2
    Laura stand um halb sieben auf, nachdem sie sich fast zwei
Stunden lang vergeblich bemüht hatte, noch ein wenig Schlaf
zu finden. Sie konnte sich ihre Unruhe nicht recht erklären: Am
Vorabend hatte sie Triumph gefühlt, und sie war mit einem so
leichten Herzen wie schon lange nicht mehr ins Bett gegangen.
Es war auch nicht so, daß sie beim Aufwachen in den

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