Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Taeuschung

Die Taeuschung

Titel: Die Taeuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
Vom Netzwerk:
sich einen Dreck scheren zu müssen
um Gefühle und Bedürfnisse anderer. Zwischendurch
erinnerten sie sich dann, daß sie es bei den Männern auch mit Menschen zu tun hatten, und verfielen in das alberne
Gestottere, das auch Laura ihm gerade bot – anstatt klar heraus
zu sagen, daß es just for fun gewesen war, was sie mit ihnen ins
Bett hatte springen lassen ...
Die Wut war heillos und vernichtend über ihn
hereingebrochen, aber er hatte sie noch zurückdrängen können.
Es mußte nicht so sein, wie er dachte. Er mußte gerecht
bleiben, durfte sie nicht vorschnell verurteilen. Vielleicht war
sie wirklich verwirrt, überrumpelt. Es war alles sehr schnell
gegangen am gestrigen Abend, da hatte sie schon recht.
»Nun«, sagte er und hatte dabei den Eindruck, daß er
zumindest ruhiger klang, als er tatsächlich war, »ich denke, wir
haben die gleichen Vorstellungen von Familie und
Zusammenleben. Möglicherweise brauchst du ein wenig mehr
Zeit als ich, um dich auf unsere Situation einzustellen. Du hast
viel erlebt in den letzten Wochen.«
»Ja«, hatte sie gesagt und wieder so gequält geklungen, und
er war sich vorgekommen wie jemand, der hilflos um die
Gunst eines Lächelns bittet und sie nicht gewährt bekommt.
»Darf ich dich heute abend wieder anrufen?« hatte er
demütig gefragt. Natürlich hätte er sie viel lieber gesehen als
angerufen, aber ein Instinkt sagte ihm, daß sie sich an diesem
Tag nicht auf eine Verabredung einlassen würde und daß er
sich eine erneute Frustration ersparte, wenn er gar nicht erst
fragte.
»Sicher«, hatte sie geantwortet, und dann hatten sie beide
einige Sekunden lang geschwiegen, während
Unausgesprochenes zwischen ihnen hin und her wogte,
unangenehm und so bedrängend, daß er es nicht mehr hatte
aushalten können und auf einmal nur noch bestrebt gewesen
war, das Telefonat zu beenden.
»Ich melde mich«, hatte er gesagt und hastig aufgelegt, und
danach war er im Zimmer herumgelaufen und hatte versucht,
seine aufgewühlten, erregten Gefühle wieder zu beruhigen.
Das hatte eine Weile gedauert, und irgend etwas hatte er
dabei in seinen Händen zerquetscht, ohne zu wissen, was es
war. Erst später stellte er fest, daß er eine Schachtel mit Photos
zu einem kleinen, harten Ball zusammengedrückt hatte.
Nachdem er seine Aggressionen niedergekämpft hatte,
kamen die Schuldgefühle, ein ängstliches: Was habe ich nur
getan? und: Ich hätte nicht schreien dürfen!
Er durchlebte auch dies, reflektierte das Gespräch noch
einmal vorwärts und rückwärts, seine Worte, ihre Worte,
seinen Tonfall, ihren Tonfall, und am Ende gelangte er zu dem
Schluß, daß alles gar nicht so schlecht gelaufen war, daß er
keineswegs wirklich laut geschrien hatte, daß er nicht wirklich
aggressiv gewesen war, daß er sie nicht angegriffen hatte; und
sie ihrerseits war ihm nicht ausgewichen, sie hatte nur die
übliche Zurückhaltung an den Tag gelegt, die eine Frau nun
einmal zeigen mußte, wenn sie gefragt wurde, ob sie heiraten
wolle; ein gewisses Zögern gehörte zum Spiel zwischen den
Geschlechtern, und er wollte es ihr gern zugestehen.
Nachdem er so weit gekommen war, entspannte er sich
spürbar, bekam sogar plötzlich Hunger und verließ sein Haus,
um auf dem Marktplatz einen cafe creme zu trinken und sich
hinterher noch eine Quiche und einen leichten Weißwein zu
bestellen. Er saß in der Sonne, die jetzt, da es langsam auf
Mittag zuging, an Wärme gewann und von ihm als sanft und
angenehm empfunden wurde. Ein paar Hunde liefen auf der
schmalen Straße herum, und direkt vor dem Eingang zum Hotel Berard lag eine dicke, graue Katze und schlief.
Wie schön das Leben ist, dachte er ein wenig schläfrig und
doch im vollen Bewußtsein, daß etwas Großes und
Wunderbares auf ihn zukam, und immer wieder voller neuer
Möglichkeiten.
Es waren nur wenige Menschen zu sehen. Zwei ältere Frauen
saßen an einem Nachbartisch und unterhielten sich aufgeregt
über irgendeine dritte Frau, die ihr Haus und sich selbst auf
üble Weise verwahrlosen ließ. Zwei dickbäuchige Männer
standen in den Türen ihrer Kneipen, plauderten und lachten.
Ein paar Kinder stritten um einen Ball. Eine Frau trat aus ihrem
Haus, ließ sich mit einem Seufzer auf den steinernen Stufen
vor ihrer Tür nieder und zündete sich eine Zigarette an. Eine
andere verließ das Hotel Berard, sie wirkte hektisch und nervös
und wäre beinahe über die dicke Katze gestolpert. Er
beobachtete dies

Weitere Kostenlose Bücher