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Die Taeuschung

Die Taeuschung

Titel: Die Taeuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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siehst!«
Die Klarheit, mit der sie sich und ihr Leben beurteilte,
berührte ihn tief. Er mußte an Cathérine denken.
Wie viele einsame Menschen es gibt, dachte er, und wie
dankbar müßten Nadine und ich sein, daß wir einander haben.
Es ist, bei Gott, keine Selbstverständlichkeit.
Der Gedanke an Cathérine erinnerte ihn an etwas
Wesentliches.
»Ich werde Nadine Zeit geben«, sagte er, »ich werde hier
nicht auf sie warten und sie nicht bedrängen.«
Er sah, daß sich Erleichterung auf den Gesichtszügen seiner
Schwiegermutter abzeichnete.
»Aber ich bitte dich, ihr etwas auszurichten. Sag ihr, daß
Cathérine fortgehen wird. Daß sie ihre Wohnung in La Ciotat
verkauft und sich im Norden Frankreichs niederläßt. Es wird
sie in unserem Leben nicht mehr geben.«
»Glaubst du, daß das entscheidend ist?« fragte Marie.
Er nickte. »Es ist entscheidend, und ich hätte es schon vor
Jahren erkennen müssen. Aber nun hat sich alles gut gefügt,
und ...« Er wandte sich zur Tür, sprach den Satz nicht zu Ende.
»Ich gehe jetzt«, sagte er, »richte Nadine aus, daß ich auf sie
warte.«
7
    Er war zu weit gegangen, verdammt noch mal. Er hätte sie
nicht so anschreien dürfen. Das war ein Fehler gewesen, ein
eklatanter Fehler, und er könnte nur beten, daß er eine Chance
bekommen würde, ihn wiedergutzumachen.
    Er hatte gebrüllt und gebrüllt, und als er eine Pause hatte
machen müssen, um Luft zu holen, hatte sie gefragt:
»Christopher?« Sie hatte eher erstaunt als verärgert geklungen.
    »Ja. Allerdings. Pech, nicht wahr? Du dachtest nicht, daß ich
um diese Zeit anrufe!«
»Lieber Gott, wovon sprichst du?«
»Ich habe dich etwas gefragt. Mit wem hast du telefoniert?
Vielleicht wäre es möglich, daß du meine Fragen beantwortest,
ehe du deinerseits welche stellst!«
Eine leise Stimme in seinem Hinterkopf hatte ihn gewarnt. Sprich nicht in diesem gereizten, scharfen Ton mit ihr. Sie wird
verstört sein, und dann wütend. Sie wird sich das nicht gefallen
lassen. Du bist dabei, alles zu verderben!
Aber es fiel ihm ungeheuer schwer, seinen Kurs zu ändern.
Er war so wütend, so außer sich. So empört und so voller
Angst, doch Angst hatte sich bei ihm schon immer in
Aggression entladen. Anders konnte er nicht mit ihr umgehen.
Laura hatte sich von ihrer Überraschung erholt. »Ich weiß
nicht, woher du den Anspruch ableitest, von mir in irgendeiner
Weise Rechenschaft zu verlangen«, sagte sie kühl.
Jetzt, am Vormittag, da er das Gespräch noch einmal in
Gedanken durchging, erinnerte er sich, in diesem Moment und
beim Klang ihrer Stimme zum erstenmal die Ahnung gehabt zu
haben, daß die Geschichte mit Laura den gleichen Verlauf
nehmen würde wie andere Geschichten zuvor, und daß ihn
diese Vorstellung mit Bestürzung und Traurigkeit erfüllt hatte.
Doch er zwang sich, vorläufig daran nicht zu denken.
Es gibt keinen Grund, die Hoffnung aufzugeben.
Er hatte am Telefon ein wenig eingelenkt, sich um einen
sanfteren Ton bemüht. »Ich denke, nach allem, was war,
solltest du so fair sein und mir sagen, wenn es einen anderen
Mann in deinem Leben gibt.«
Sie hatte gestutzt. »Nach allem, was war? Du meinst ... den
gestrigen Abend?«
»Ja, natürlich. Ich ... nun, für mich bedeutet es etwas, wenn
ich mit einer Frau schlafe. Vielleicht ist das bei dir anders ...«
Damit hatte er sie in der Defensive.
»Auch für mich bedeutet es viel, wenn ich mit einem Mann
schlafe«, erwiderte sie gequält. Sie klang nicht länger kühl,
sondern einlenkend. »Aber vielleicht sind die ... Schlüsse, die
du daraus gezogen hast, für mich ein bißchen zu schnell
gegangen ...«
»Welche Schlüsse meinst du?«
»Na ja, du ...« Sie hatte sich gewunden, und er hatte
gemerkt, daß er fast den Telefonhörer zerquetschte, so fest
umklammerte er ihn mit seiner Hand. »Du hast von Heiraten
gesprochen, und ... das kam für mich wohl etwas zu plötzlich
...«
Er kannte diese Art von Frauen, diese hilflosen Versuche,
sich aus Bindung und Verantwortung herauszuwinden, und
schon immer hatte dies Verzweiflung und Haß in ihm
ausgelöst. Sie waren unstete, leichtlebige Geschöpfe, die ihr
Leben lebten, wie es gerade kam, die nahmen, was sich ihnen
bot, und es ohne Skrupel wieder wegwarfen, wenn ihnen der
Sinn nach etwas anderem stand. Der verdammte Liberalismus
und die Frauenbewegung hatten ihnen die Köpfe völlig
verdreht. Seitdem lebten sie in dem Glauben, tun und lassen zu
können, was sie wollten,

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