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Die Taeuschung

Die Taeuschung

Titel: Die Taeuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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geliebt und verstanden hat«. Sie, Nadine,
möge das bitte respektieren.
Sie stutzte nur einen Moment, dann begriff sie, daß er
natürlich seine Mutter meinte. Ein Mann wie Henri hatte keine
Geliebte. Er ging zu seiner Mutter, und das bedeutete, er
befand sich auf dem Weg nach Neapel oder war vielleicht
schon dort angekommen. Er war weit weg und würde so
schnell auch nicht wiederkommen.
Sie steckte den Brief in den Umschlag zurück, legte ihn auf
die Treppe, setzte sich auf eine Stufe.
Sie fragte sich, was sie empfand. Seltsamerweise fühlte sie
sich ein wenig allein. Peter tot, und Henri fort. Kraftlosigkeit
lähmte sie.
Sie blieb auf der Treppe sitzen und starrte die
gegenüberliegende Wand an.
10
    Laura war schon um neun Uhr ins Bett gegangen, hatte noch
eine halbe Stunde gelesen und dann sehr müde das Licht
ausgeschaltet. Sie hatte vor, am nächsten Morgen um halb
sechs aufzustehen, verderbliche Lebensmittel wegzuwerfen,
das Haus abzuschließen und um halb sieben im Auto zu sitzen
und die Heimfahrt anzutreten. Sie würde dann gegen vier Uhr
am Nachmittag zu Hause ankommen. Zeit genug, Sophie bei
ihrer Mutter abzuholen und noch ein wenig mit ihr zu spielen
und dann den Abend über Anrufe abzuhören und die
eingegangene Post zu sichten. Sie hatte viel zu tun, war aber
voller Tatendrang. Es war besser, als noch länger sinnlos in
Südfrankreich herumzusitzen.
    So erschöpft sie gewesen war, es gelang ihr nicht,
einzuschlafen, als sie im Dunkeln lag. So vieles ging ihr im
Kopf herum. Da war die Vorfreude auf Sophie und daneben
bedrängende Bilder aus ihrem Leben mit Peter. Gedanken an
all die Lügen und Halbwahrheiten, die ihre letzten Jahre
begleitet hatten und von denen sie nicht wußte, ob das schon
alle gewesen waren. Worauf würde sie noch stoßen? Wie viele
Abgründe mochten da noch lauern?
    Und dann, wie würde ihr neues Leben aussehen? Würde es
gutgehen, sie und Sophie bei Anne in der Wohnung? Anne und
sie waren nicht mehr Anfang zwanzig. Jeder hatte ein völlig
eigenes Leben geführt, jahrelang. Es war etwas anderes, ob
man sich am Telefon nach wie vor gut verstand oder ob man
unter einem Dach wohnte.
    Es wäre in jedem Fall von Vorteil, schnell eigenes Geld zu
verdienen, dachte sie, damit ich unabhängig bin und für mich
und Sophie bald selbst eine Wohnung mieten kann.
    Das Gespräch mit Monsieur Alphonse hatte ihr gut getan. Er
meinte, daß sie umgerechnet an die neunhunderttausend Mark
für Haus und Grundstück bekommen konnte. Eine Menge
Geld, aber die Frage war, wie hoch Peter das Anwesen
beliehen hatte. Und wie weit würde sie überhaupt in Anspruch
genommen werden für seine Schulden? Sie hatten damals ohne
Gütertrennungsvereinbarung geheiratet.
    Als erstes, überlegte sie, brauche ich einen guten Anwalt
Ganz langsam dämmerte sie ein. Der Gedanke an einen Anwalt
beruhigte sie. Schluß mit den Spekulationen Endlich würde ihr
jemand sagen können, wie ihre Situation aussah Sie konnte
schlafen. Der Wecker war gestellt. Sie konnte ganz ruhig
schlafen.
    Das Geräusch – ein eigenartiges Knarren, das nicht zu den
üblichen abendlichen Geräuschen des Hauses paßte – hätte sie
beinahe in einen beginnenden Traum eingearbeitet Aber es
wiederholte sich gleich darauf, um einiges lauter als zuvor und
ließ sie im Bett hochschrecken. Sie starrte in die Dunkelheit
und fragte sich, ob sie sich geirrt hatte. Um sie herum herrschte
völlige Stille.
    Da war nichts, sagte sie sich, aber der Schlaf war nun wie
weggeblasen, und ihr Herzschlag hatte sich beschleunigt. An
den Armen hatte sie eine Gänsehaut bekommen. Sie war in
höchster Alarmbereitschaft, und sie hoffte, daß dies auf
Hysterie gründete und nicht auf einem stimmigen Instinkt.
    Sie stand auf, verzichtete aber darauf, das Licht
anzuschalten. Auf bloßen Füßen tappte sie hinaus auf die
Galerie, von der aus man hinunter in das große Wohnzimmer
blicken konnte. Der Raum lag still vor ihr. Sie hatte die Läden
nicht geschlossen, und für Sekunden fiel ein blasses Mondlicht
durch die Fenster herein. Hin und wieder riß der Wind Lücken
in die Wolken, aber es regnete noch immer stark.
Der Bewegungsmelder im Garten war nicht angesprungen.
Irgend etwas regte sich in ihrem Gedächtnis ... undeutlich
nur ... irgend etwas, das mit dem Bewegungsmelder zu tun
hatte, doch sie kam nicht darauf, was es war.
    »Unsinn«, sagte sie laut, »hier ist nichts. Ich habe geträumt.«
Aber sie wußte,

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