Die Taeuschung
fragte Cathérine mit dünner Stimme. Sie
war gebrochen, gedemütigt und hoffnungslos.
»Geh«, sagte Stephane, »geh zum Teufel und laß dich nie
wieder in unserer Nähe blicken! Hast du verstanden? Beim
nächsten Mal lasse ich dich einsperren.« Er brüllte plötzlich:
»Nun hau schon ab!«
Sie warf Pauline noch einen kurzen Blick zu und hastete den
nassen Gartenweg entlang. Sie hörten, wie das Tor ins Schloß
fiel.
»Daß mir die noch mal in die Quere kommt!« sagte
Stephane. »Ich sag’s ja immer: Für jeden Fehler im Leben
zahlst du irgendwann. Ich war damals viel zu gutmütig. Ich
hätte sie nach unserem ersten Abend schon stehen lassen
sollen!« Er hob fröstelnd die Schultern. »Was soll’s. Letztlich
kann sie einem einfach nur leid tun.«
Das Gefühl der Kälte und Leere war schlimmer geworden
und drohte Pauline zu überwältigen.
Warum hatte er nicht bei Berard gewartet? Warum nur hatte
er das nicht getan!
Sie sah in die Nacht, in der Cathérine verschwunden war.
»Warum sie?« fragte sie »Warum kann sie einem leid tun? Sie ist dir schließlich entkommen.«
Sie lief an ihm vorbei ins Haus.
13
Nadine hatte um genau halb elf das Chez Nadine verlassen,
sorgfältig die Tür hinter sich abgesperrt und sich gefragt,
weshalb sie sich dort solange aufgehalten hatte. Vielleicht war
es wirklich ein Abschiednehmen gewesen, und dann konnte sie
sich jetzt sage», sie hatte es gründlich zelebriert. Vorbei. Aus.
Sie würde nie mehr zurückkommen. Sie hatte sogar Henris
Brief liegengelassen. Sie mochte nichts von ihm mit
hinübernehmen in ihr neues Leben.
Ihr neues Leben. Wenn sie doch nur wenigstens die
allerkleinste Vorstellung hätte, wie es aussehen sollte.
Als sie die dunkle Landstraße entlangfuhr, fiel ihr wieder
Lauras Anruf ein. Irgend etwas daran ließ sie einfach nicht los.
Was sollte der Satz: Es ist jemand im Haus? War sie so
betrunken, daß sie Geräusche, Schritte, Stimmen hörte?
Manche sahen weiße Mäuse. Laura vielleicht glaubte sich einer
Horde Einbrecher gegenüber.
Nicht einer Horde. Es ist jemand im Hans. Sie hatte nicht so
geklungen, als übertreibe sie hemmungslos.
Nadine wußte, daß sie nicht die mindeste Lust hatte, sich
ausgerechnet um Laura zu kümmern. Laura hatte sie immer
strapaziert. Sie hatte sie gehaßt, weil sie zwischen ihr und Peter
stand, aber sie hatte Freundschaft heucheln müssen, um nicht
verdächtig zu erscheinen. Es war anstrengend und ermüdend
gewesen. Sie wollte Laura in ihrem ganzen Leben nicht
wiedersehen.
Sie umrundete den großen Kreisverkehr in St. Cyr, schlug
die Richtung nach La Cadiére ein. Es regnete beharrlich, sie
ließ die Scheibenwischer in rascherem Tempo über die
Windschutzscheibe gleiten. Wenn sie Lauras Anruf ignorierte,
würde sie die ganze Nacht ein dummes Gefühl haben, aber
wenn sie zu ihr hinfuhr, hatte sie wahrscheinlich eine
betrunkene, heulende, zeternde Frau am Hals, die von ihr
wissen wollte, wieso sie vier Jahre lang mit ihrem Mann
geschlafen und am Ende eine Flucht mit ihm ins Ausland
geplant hatte. Denn natürlich würde sie ihr die Schuld geben.
Ehefrauen redeten sich in Fällen wie diesem gern ein, daß der
treulose Gatte in Wahrheit nur das hilflose Opfer einer
raffinierten Verführerin gewesen war.
»Verdammt«, sagte sie und schlug mit der Faust auf das
Lenkrad, »noch jetzt macht sie mir Scherereien. Sie wird nie
aufhören, ärgerlich und lästig für mich zu sein!«
Sie war kurz vor La Cadiére angelangt. Sie konnte jetzt
geradeaus weiterfahren, den Rand des Ortes streifen und auf
der anderen Seite die Autobahnbrücke überqueren, um auf die
Straße nach Le Beausset zu gelangen. Das war der Weg, den
sie seit Jahren immer nahm, denn die Alternative, an dieser
Stelle links abzubiegen, die Autobahn bereits hier zu
überqueren und auf der anderen Seite weiterzufahren, brachte
sie allzu nah an das Quartier Colette und damit an Peters Haus
heran. Seit sie mit ihm eine Beziehung unterhalten hatte, hatte
sie diese Strecke gemieden, und jetzt, nach seinem Tod,
mochte sie die Gegend noch weniger.
Also geradeaus.
In letzter Sekunde riß sie das Steuer herum, und da sie kurz
zuvor noch Gas gegeben hatte, nahm sie die Kurve viel zu
schnell. Fast wäre sie auf der nassen Fahrbahn geschleudert
und gegen die Leitplanke geknallt. Ein Auto, das ihr von La
Cadiére entgegenkam und dessen Fahrer überraschend mit der
Tatsache konfrontiert wurde, daß sie nicht geradeaus, sondern
nach
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