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Die Taeuschung

Die Taeuschung

Titel: Die Taeuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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sich davonmachen.
Das Tor zum Grundstück war nur angelehnt, sie konnte es
öffnen, indem sie es mit der Stoßstange ihres Autos sacht
anstieß. Sie würde im weiträumigen, kiesbestreuten Hof
wenden und dann machen, daß sie fortkam.
Sie warf einen Blick auf das Haus. Es war fast dunkel, aber
irgendwo im Wohnzimmer mußte ein Licht brennen.
Wahrscheinlich oben auf der Galerie. Sie erinnerte sich an den
Abend, an dem sie dort gesessen und auf Peter gewartet hatte.
Es war die gleiche Jahreszeit gewesen. Es war der Beginn von
allem gewesen.
Peter war jetzt tot. Er war nicht einfach an einem Infarkt
gestorben oder bei einem Verkehrsunfall. Er war einem
Wahnsinnigen in die Hände gefallen. Man hatte ihn in die
Berge verschleppt und dort auf brutalste Weise
niedergemetzelt, ihn wie einen Haufen Unrat in ein Gebüsch
geworfen.
Niemand verstand, weshalb das geschehen war, aber irgend
jemand hatte ihn sich ausgesucht, und er hatte dafür einen
Grund gehabt.
Ein ungutes Gefühl beschlich sie, während sie so im Auto
saß und durch den Regen zu dem dunklen Haus hinüberstarrte.
Jetzt hatte seine Frau bei ihr angerufen und ins Telefon
gewispert: »Es ist jemand im Haus.«
Entschlossen stieg sie aus, schrak nur kurz vor dem Wind
zurück, der jetzt sehr stark geworden war. Wenigstens konnte
sie einmal versuchen, durch eines der Fenster hineinzublicken.
Vielleicht sah sie Laura einfach nur sturzbesoffen auf dem Sofa
hocken, dann konnte sie sich immer noch unbemerkt
davonschleichen. Was sie tun wollte, wenn sie irgend etwas
anderes sah, wußte sie nicht Im Grunde erwartete sie es auch
noch nicht. Es war nur dieses Gefühl der Beunruhigung sie
mußte sich Gewißheit verschaffen.
Der Regen durchnäßte sie schnell, als sie durch den Garten
zum Haus lief. Sie hatte keine Jacke angezogen und fror
erbärmlich. Als der Bewegungsmelder ansprang und
Scheinwerfer die Nacht um sie herum in gleißendes Licht
tauchten, erschrak sie und blieb stehen. Sie hatte vergessen,
daß es so etwas hier gab, und nun mußte sie warten, bis sie
wieder erloschen, sonst stand sie selbst auf dem
Präsentierteller, wenn sie versuchte ins Wohnzimmer zu
spähen. Sie wünschte, sie wäre nicht heute am Abend ins Chez
Nadine gegangen. Dann hätte sie nichts von all dem
mitbekommen und wäre auch nicht verantwortlich.
Sie atmete erleichtert auf, als es wieder dunkel um sie wurde.
Endlich war sie an der überdachten Terrasse und fand Schutz
vor dem Regen. Sie bewegte sich möglichst lautlos, wobei sie
dachte, daß sie im Grunde weniger Angst hatte vor einem
Einbrecher, als davor, von Laura entdeckt und mit Anklagen
und Vorwürfen überschüttet zu werden. Was daneben noch an
Furcht in ihr war, schob sie zur Seite.
Sie hatte die große Fensterfront fast erreicht, da nahm sie ein
Geräusch hinter sich wahr. Zumindest glaubte sie das, aber
später dachte sie, daß das Prasseln des Regens auf dem Dach
eigentlich zu laut gewesen war, als daß sie wirklich etwas
anderes hätte hören können. Vielleicht hatte sie auch aus den
Augenwinkeln eine Bewegung registriert.
Es war zu spät, um zu reagieren.
Jemand preßte ihr von hinten eine Hand auf den Mund, hielt
ihre Arme wie mit einem Schraubstock umklammert und
versuchte, sie ins Haus zu schleifen.
16
    Laura hatte geglaubt, ein Auto gehört zu haben, aber sie war
nicht ganz sicher; das Rauschen des Regens und das Heulen
des Windes, der sich langsam zum Sturm steigerte, machten es
fast unmöglich, andere Geräusche wahrzunehmen. Sie lehnte
sich zum Fenster hinaus und schrie, aber sie konnte selbst
merken, wie ihre Stimme von dem Tosen in dieser Nacht sofort
verschluckt wurde. Wenn es Nadine war, die da kam, lief sie
direkt in die Falle.
    Laura hatte auf der Galerie gestanden, das kurze, gewisperte
Telefonat geführt und hektisch den Hörer auf die Gabel
geworfen, als sie sah, daß sich die Kellertür vorsichtig und
lautlos öffnete. Als sie Christopher erblickte, tat sie einen
überraschten Atemzug, im selben Moment, da er den
schwachen Lichtschein wahrnahm und nach oben blickte. Sie
sahen einander für einige Sekunden schweigend an.
    Laura hatte zunächst nicht an eine echte Gefahr geglaubt,
sondern gedacht, dies sei ein weiterer Versuch Christophers,
mit ihr zu sprechen und sie zu einer gemeinsamen Zukunft zu
bewegen. Und zwar einer, der absolut zu weit ging. Er konnte
nicht nachts durch ihren Keller einsteigen und ein Gespräch
erzwingen wollen, das sie ihm

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