Die Taeuschung
überhaupt nicht?«
Wenn sie wüßte, wie weh sein Kopf tat! Hätte er bloß den
Hörer nicht abgenommen. Er fühlte sich mit der Situation
hoffnungslos überfordert.
»Was soll ich schon machen?« brummte er. »Offenbar hat
Peter keine Lust zum Segeln. Er hat es sich anders überlegt. Na
und? Er ist ein freier Mann, er kann tun und lassen, was er
möchte.«
Er wußte, daß sie ihn für übergeschnappt hielt.
»Christopher, er ist doch wegen des Segelns überhaupt an
die Côte gefahren! Gestern um achtzehn Uhr hat er sich noch
einmal bei mir gemeldet. Er wollte bei Nadine und Henri etwas
essen und dann gleich schlafen. Um heute fit zu sein. Kein
Wort davon, daß er es sich anders überlegt haben könnte.«
»Vielleicht braucht er Abstand. Von allem. Von dir.«
»Christopher, bitte tu mir einen Gefallen. Ich habe wirklich
Angst, daß etwas passiert sein könnte. Bitte fahr in unser Haus
hinüber, den Schlüssel hast du ja. Sieh nach, ob er dort ist.
Vielleicht ist ihm schlecht geworden, oder er ist unglücklich
gestürzt ...« Sie weinte jetzt fast. »Bitte, Christopher, hilf mir.
Hilf ihm!«
»Ich kann nicht rüberfahren. Ich hab einen Promillewert im
Blut, an dem würden andere sterben. Ich sitze hier und kotze.
Sorry, Laura, aber es geht nicht. Ich schaffe es nicht einmal bis
in mein Bett!«
Mit einem Krachen brach die Verbindung ab. Überrascht
starrte er auf seinen Telefonhörer. Die Maus hatte aufgelegt.
Genauer gesagt, sie mußte den Hörer mit einer Heftigkeit auf
die Gabel geschmettert haben, daß sie den Apparat damit hätte
zerschlagen können. Er war verwundert;
Temperamentsausbrüche kannte er von ihr nicht.
Normalerweise bemühte sie sich viel zu sehr darum, nett zu
sein und von jedermann gemocht zu werden.
Armes Ding, dachte er, verdammt armes Ding ...
Er rutschte tiefer zu Boden, bis er wieder zum Liegen kam.
Das Erbrochene an seinen Kleidern stank zum Gotterbarmen.
Trotzdem würde es dauern, bis er versuchen konnte, die
Dusche zu erreichen. Zuvor brauchte er noch ein klein wenig
Schlaf ...
6
Es herrschte Hochbetrieb im Chez Nadine an diesem Sonntag.
Zwar hielten sich zu dieser Jahreszeit nicht mehr allzuviele
Touristen an der Côte auf, aber die, die da waren, wurden von
dem schlechten Wetter in Restaurants und Cafes getrieben und
verbrachten dort mehr Zeit, als es für gewöhnlich der Fall war.
Cathérine und Henri arbeiteten ganz allein, denn Nadine war
tatsächlich nicht mehr aufgetaucht, und die Hilfe, die Henri
manchmal beschäftigte, kam ab dem 1. Oktober nicht mehr, da
sie dann für gewöhnlich nicht gebraucht wurde.
Heute wären zwei weitere Hände dringend nötig gewesen.
Jeder Tisch war besetzt, und die Leute aßen gegen ihren Frust
an, den ihnen der Regen bereitete. Obwohl Henri es nicht
ausgesprochen hatte, wußte Cathérine, worin das eigentliche
Problem bestand: Henri hätte eine Person zum Servieren
benötigt. Und sie war zum Servieren nicht einsetzbar.
Mit ihrem Gesicht konnte sie den Leuten nicht das Essen
bringen. Wenn die Krankheit blühte, hätte niemand eine
Mahlzeit angenommen, die sie zuvor berührt hatte, und wenn
sie ehrlich war, konnte sie es den Menschen auch kaum
verdenken. Es sah eklig aus und hätte schließlich auch
ansteckend sein können. Sie konnte nicht jedem erklären, daß
der Ausschlag ihr persönliches Schicksal war, daß sie ihn auf
niemanden sonst übertragen würde.
Henri mußte nun den Service allein bewältigen, aber er
mußte gleichzeitig den Pizzaofen und die Speisen auf dem
Herd im Auge behalten. Normalerweise war sein Platz in der
Küche, und Nadine bediente. Heute zerriß er sich fast zwischen
beiden Aufgaben. Cathérine konnte ihn wenigstens so weit
unterstützen, daß sie Geschirr spülte und immer neue Berge
von Tomaten, Zwiebeln und Käse für den Pizzabelag
kleinschnitt, außerdem noch auf Henris Anweisung hin und
wieder die Töpfe auf dem Herd umrührte und darauf achtete,
daß nichts anbrannte. Dennoch sagte sie, als Henri wieder
einmal völlig abgehetzt in der Küche erschien und so erschöpft
aussah, daß es ihr fast das Herz brach: »Henri, es tut mir so
leid. Ich bin keine Hilfe für dich. Im wesentlichen mußt du
alles allein machen, und ...«
Er war mit einem Schritt neben ihr und legte ihr den Finger
auf den Mund. »Psst! Kein Wort mehr. Mach dich nicht immer
so schlecht. Ich danke Gott, daß du heute hier bist. Ich würde
sonst zusammenbrechen. Du siehst ja ...«
Damit
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