Die Taeuschung
ansonsten konnte sie nichts sehen, was Aufschluß über Peters
Absichten hätte geben können.
Sie hatte ihm irgendwann im vergangenen Jahr ein Bild
geschenkt, das Titelblatt einer großen, deutschen Illustrierten
im silbernen Rahmen. Peters Agentur hatte Photos und Story
geliefert – ein großer Erfolg, einer seiner größten in der letzten
Zeit. Sie hatte ganz selbstverständlich geglaubt, er werde es
aufhängen. Stattdessen hatte sie es nun in einer der
Schreibtischschubladen gefunden, ziemlich tief vergraben unter
anderen Papieren. Warum hatte er es förmlich versteckt? Sie
fühlte sich enttäuscht und ein wenig verletzt.
Peter hatte die Agentur vor etwa sechs Jahren gegründet. Er
war damals bei einer regionalen Zeitung angestellt gewesen
und hatte sich mit dem Chefredakteur in einer Art überworfen,
die nicht darauf hoffen ließ, dort jemals auf einen grünen
Zweig zu kommen. Auf einmal hatte er den dringenden
Wunsch verspürt, sich selbständig zu machen.
»Ich will endlich tun, was ich möchte und was ich für richtig
halte«, hatte er erklärt, »ich bin, weiß Gott, alt genug, endlich
mein eigener Herr zu sein.«
Seine Agentur lieferte Photos und Texte an Zeitungen und
Zeitschriften; manches im Auftrag, vieles auf eigenes Risiko
produziert und dann angeboten. Hauptsächlich arbeitete Peter
inzwischen mit der Boulevardpresse zusammen, lieferte
Porträts von Schauspielern und Schlagersängern. Laura wußte,
daß er größeren Einschränkungen unterworfen war, als er es
sich je vorgestellt hatte: Die Redakteure der Regenbogenblätter
veränderten seine Texte stark.
»Sie verdummen die Leute«, sagte Peter oft, »Himmel, sind
die Leser wirklich so schwachsinnig, oder halten die sie bloß
dafür?«
Das alles kann nicht so einfach für ihn sein, dachte Laura
nun, eigentlich ist das alles recht weit weg von dem
Journalismus, den er einmal hat machen wollen.
Sie sah, daß es draußen wieder zu regnen begonnen hatte.
Ein trüber, häßlicher Tag, der sich nicht mehr aufhellen würde.
Es war halb fünf. Da alles darauf hindeutete, daß sie am
nächsten Tag in die Provence würde aufbrechen müssen, sollte
sie nun ernsthaft zusehen, daß sie eine Unterkunft für Sophie
fand.
Sie sammelte das weit verstreut herumliegende Spielzeug
der Kleinen ein, als sie ein Geräusch von der Tür her hörte.
Jemand steckte einen Schlüssel ins Schloß und drehte ihn um.
Einen Moment lang schoß ihr die unsinnige Hoffnung durch
den Kopf, es könnte Peter sein, der zurückgekehrt war, um
irgendeine wichtige Arbeit zu erledigen, aber schon gleich
darauf wußte sie, daß dies ein absurder Gedanke war.
Sie stand auf.
»Hallo?« rief sie fragend.
Der unerwartete Besucher war Melanie Deggenbrok, Peters
Sekretärin. Sie erschrak so, daß sie ganz weiß wurde im
Gesicht. »Lieber Himmel! Laura!«
»Entschuldigen Sie.« Laura kam sich albern vor, wie sie da
im Büro ihres Mannes stand, Bauklötzchen in jeder Hand und
irgendwie wie ein ertappter Einbrecher anzusehen. Kaum hatte
sie sich entschuldigt, ärgerte sie sich schon heftig über sich
selbst. Wofür entschuldigte sie sich eigentlich? Sie war die
Ehefrau des Chefs. Sie hatte mindestens das gleiche Recht, hier
zu sein, wie Melanie.
»Ich habe nach Unterlagen gesucht«, erklärte sie, während
sie rasch überlegte, ob es ratsam war, sich Melanie
anzuvertrauen. Zugeben zu müssen, daß der eigene Mann
spurlos verschwunden war, entbehrte nicht einer gewissen
Peinlichkeit, und sie mochte nicht Objekt von belustigtem
Büroklatsch sein. Andererseits arbeitete Melanie Tag für Tag
eng mit Peter zusammen. Sie wußte – ein erschreckender
Gedanke – vielleicht mehr über ihn als seine Frau.
»Kann ich Ihnen helfen?« fragte Melanie. »Oder haben Sie
gefunden, was Sie gesucht haben?«
Laura gab sich einen Ruck. »Ich weiß eigentlich gar nicht
genau, wonach ich suche«, erklärte sie, »es geht um eine
Information ...« Rasch berichtete sie, was geschehen war.
»Vielleicht sehe ich Gespenster, aber mir scheint, daß da
etwas nicht stimmt. Ich dachte, ich stoße hier vielleicht auf
etwas, das mir weiterhilft, aber ...«, sie zuckte die Schultern,
»ich bin nicht fündig geworden.«
Melanie sah mit einem eigentümlich leeren Blick an ihr
vorbei. »Ihre Tochter ist aber groß geworden«, sagte sie, und es
klang nicht so, als ob sie sich wirklich für Sophie interessierte.
Eher schien es, als habe sie versucht, etwas zu erwidern, ohne
auf
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