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Die Taeuschung

Die Taeuschung

Titel: Die Taeuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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weinen.
Sophie sagte fragend: »Papa?«
Laura dachte: Und dies ist wohl erst der Beginn des
Alptraums.
8
    Nadine und Cathérine begegneten einander an der Hintertür des Chez Nadine, Nadine kam nach Hause, Cathérine wollte gerade
gehen.
    Beide blieben sofort stehen und starrten einander an.
Cathérine hatte viele Stunden hart gearbeitet, und sie wußte,
daß sie noch unattraktiver aussah als am Morgen – wenn das
überhaupt möglich war. Ihre Haare waren über dem Dampf des
Spülwassers kraus geworden und ähnelten einem Wischmop.
Ihr pickliges Gesicht hatte sich unschön gerötet. Ihre Kleidung
zeigte Schweißflecken und roch zudem auch verschwitzt. Es
war, wie sie erbittert dachte, genau der richtige Moment, der
schönen Nadine zu begegnen, die, obwohl sie an diesem Tag
sehr elend und blaß schien – und offensichtlich geweint hatte –,
trotzdem eine ungeheuer attraktive Person war.
Immer, wenn sie Henris Frau sah, fragte sich Cathérine voll
Wut und Verzweiflung, weshalb das Leben so ungerecht und
so scheußlich war. Warum manche alles bekamen und andere
nichts. Warum nicht ein gnädiger Gott – als der er sich ja gerne
preisen ließ – für etwas mehr Ausgleich gesorgt hatte.
Hätte sie einen Wunsch frei gehabt, Cathérine hätte sich
nichts anderes gewünscht, als bis auf die letzte Winzigkeit
genauso auszusehen wie Nadine. Abgesehen davon, daß es
natürlich ihr höchster Wunsch war im Leben, Henris Frau zu
sein, aber die Erfüllung hätte sich aus dem Umstand, wie
Nadine auszusehen, von selbst ergeben. Wie konnte ein
Mensch so perfekt von der Natur gestaltet sein? Groß und
dabei sehr grazil, Beine, Arme, Hände schlank und
feingliedrig. Der olivfarbene Teint zeigte keinerlei Unreinheit.
Die dunklen Augen standen weit auseinander, hatten die Farbe
von tiefbraunem Samt, in dem irgendwo verhalten ein paar
goldene Lichter glühten. Ihre Haare waren von demselben
Farbton wie ihre Augen; schwer, dick und glänzend lagen sie
um ihre Schultern. Kein Wunder, daß sich Henri in sie verliebt
hatte. Und als er merkte, daß sie sich zu ihm ebenfalls
hingezogen fühlte, hatte er alles daran gesetzt, sie zu erobern.
Er war besessen gewesen von dem Wunsch, sie zu heiraten.
»Oh, Cathérine«, sagte Nadine und brach damit als erste das
überraschte Schweigen zwischen ihnen beiden, »hast du hier
gearbeitet?«
»Es war die Hölle los«, sagte Cathérine, »Henri konnte es
allein nicht schaffen.«
»Das schlechte Wetter«, meinte Nadine, »das treibt die Leute
in die Restaurants.«
Ach nein, dachte Cathérine, welch eine Erkenntnis!
»Nun ja«, sagte Nadine, »es war jedenfalls nett von dir,
auszuhelfen, Cathérine. Ich mußte wieder einmal meine Mutter
besuchen. Du weißt ja, sie ist ziemlich einsam.«
Mit einem Ausdruck unverhohlenen Ekels betrachtete sie
Cathérines Gesicht, vermied es aber, einen Kommentar
abzugeben.
»Komm gut nach Hause«, sagte sie noch, und Cathérine war
ganz sicher, daß sie dies so nicht meinte. Es war ihr
vollkommen gleichgültig, wie Henris Cousine nach Hause
kam, und am liebsten wäre es ihr gewesen, sie wäre in der
Versenkung verschwunden.
Cathérine ging langsam zu ihrem Auto, das auf der
gegenüberliegenden Straßenseite des Chez Nadine parkte.
Wie wird Henri sie empfangen, wenn sie jetzt zur Tür
hereinkommt? fragte sie sich. Ich an seiner Stelle würde sie
einfach windelweich schlagen!
Für alles, was sie sich in den letzten Jahren geleistet hat, für
die ganze Art, wie sie mit ihm umgeht. Aber das bringt er ja
nicht fertig. Verdammt, wann kapiert er, daß das die einzige
Sprache ist, die Frauen wie sie verstehen?
Henri stand in der Küche und schnitt das Gemüse für den
Abend. Er hatte eine Verschnaufpause; der Mittagsansturm war
verebbt, die Abendstoßzeit hatte noch nicht begonnen. Im
Gastraum saß nur ein einziges Ehepaar; sie stritten miteinander
und hatten darüber offenbar die Zeit vergessen, aber sie hielten
sich seit zwei Stunden an ihrem Glas Wein fest und verlangten
keine Aufmerksamkeit.
Henri sah auf. »Da bist du ja. Es war fürchterlich heute. Ich
hätte dich dringend gebraucht.«
»Du hattest ja Cathérine.«
»Mir blieb nichts übrig, als sie um Hilfe zu bitten. Allein
hätte ich es nicht geschafft.«
Nadine knallte ihren Autoschlüssel auf den Tisch.
»Ausgerechnet sie! Hast du bemerkt, wie sie heute wieder
aussieht? Sie vergrault uns die Gäste. Man denkt ja, sie hat eine
ansteckende Krankheit.«
»Sie war

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