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Die Taeuschung

Die Taeuschung

Titel: Die Taeuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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nur hier in der Küche. Natürlich hätte ich sie nicht
servieren lassen. Aber es wäre schön gewesen, wenn du ...«
Seine sanften Vorwürfe gingen ihr entsetzlich auf die
Nerven.
»Ich habe zufällig noch eine Mutter. Um die ich mich
gelegentlich kümmern muß.«
»Wir haben montags Ruhetag. Du hättest morgen zu ihr
gehen können.«
»Hin und wieder muß ich auch meine eigenen
Entscheidungen treffen können.«
»Deine eigenen Entscheidungen sind meistens von einer
ungewöhnlichen Rücksichtslosigkeit bestimmt.«
Sie griff nach ihrem Autoschlüssel. »Ich kann auch wieder
gehen, wenn du sowieso nur streiten willst.«
Er legte das Messer hin, sah plötzlich sehr müde aus. »Bleib
hier«, bat er, »ich kann Küche und Servieren heute abend nicht
alleine bewältigen.«
»Ich möchte nicht ständig deine Vorwürfe hören.«
»Okay.« Wie immer gab er nach. »Wir brauchen nicht mehr
darüber zu reden.«
»Ich wasche nur schnell meine Hände und ziehe mich um.«
Sie wollte die Küche verlassen, aber er hielt sie mit seiner
Stimme zurück. »Nadine!«
»Ja?«
Er schaute sie an. In seinen Augen konnte sie lesen, wie sehr
er sie liebte und wie weh sie ihm getan hatte, als sie ihm ihre
Liebe für immer entzog.
»Nichts«, sagte er, »entschuldige, es war nichts.«
Das Telefon klingelte. Nadine sah Henri an, aber er hob
bedauernd seine Hände, an denen Erde und Gemüse klebten,
und so nahm sie den Hörer auf. Es war Laura. Sie fragte nach
ihrem Mann.
Nadine entdeckte Peter Simons Auto knappe hundert Meter
vom Chez Nadine entfernt auf einem kleinen, eher
provisorischen Parkplatz neben einem Trafohäuschen. Es war
schon fast dunkel, aber es hatte aufgehört zu regnen, der
Himmel riß ein wenig auf und rotes Licht lag über dem Meer
und auf den Baumwipfeln. Sie erkannte den Wagen sofort und
dachte: Wieso habe ich ihn heute morgen nicht gesehen?
Die Straße, in der das Chez Nadine lag, war nur in eine
Richtung befahrbar, und so wußte Nadine, daß sie beim
morgendlichen Aufbruch zu ihrer Mutter an dieser Stelle
vorbeigekommen sein mußte. Allerdings war sie verstört
gewesen und völlig in Gedanken versunken.
Es waren wieder viele Gäste heute abend da, und dennoch
hatte sie sich für einen Moment entfernt, um einmal die Straße
entlangzulaufen. Henri stand in der Küche, er hatte nichts
mitbekommen.
Sie selbst hatte Lauras Frage nach Peters Verbleib nicht
beantworten können, sie sei den ganzen gestrigen Abend über
nicht dagewesen, hatte sie nur erklärt und dann den Hörer so
rasch wie möglich an Henri weitergegeben. Er hatte sich als
erstes dafür entschuldigt, den Rückruf vergessen zu haben.
Aber der Laden sei voll gewesen, und Nadine sei leider nicht
dagewesen, um ihm zu helfen ...
Sie stand hinter ihm, betrachtete das Messer, mit dem er das
Gemüse geschnitten hatte, und dachte, daß sie einen krank
machenden Abscheu gegen ihn empfand – gegen sein
Gejammere, seine Weichheit, sein ewiges Selbstmitleid.
Dann hatte sie zum erstenmal gehört, daß Peter am Vorabend
gekommen war. Henri hatte es Laura erzählt.
»Er kam so gegen ... halb sieben etwa. Hier war noch nicht
allzuviel los. Wir begrüßten einander, aber ich hatte kaum Zeit,
Nadine war nicht da, und ich mußte die Speisen vorbereiten, so
weit ich nur konnte, denn ich wußte ja, daß ich nachher wieder
mit dem Servieren ungeheuer viel Streß haben würde ... Ich
sagte, ich fürchtete, daß wir eine verregnete Woche vor uns
hätten, aber das schien ihn nicht wirklich zu bekümmern. Er
setzte sich an einen Tisch am Fenster, bestellte ein Viertel
Weißwein und eine kleine Pizza. Wie? Nun, er wirkte auf mich
... vielleicht ein bißchen in sich gekehrt, recht still. Oder
einfach nur müde, was nach einer so langen Fahrt natürlich
nicht verwunderlich ist. Aber ich konnte mir auch nicht
wirklich Gedanken um ihn machen, denn ich war, wie gesagt,
mit meiner Arbeit völlig überfordert.«
Dann hatte Laura offenbar wieder eine Frage gestellt, und
Henri hatte einen Moment lang überlegt. »Ich meine, daß er
irgendwann zwischen halb acht und acht wieder ging. Ich kann
es aber nicht genau sagen. Wir sprachen gar nicht mehr
miteinander, ich fand das Geld abgezählt neben seinem Teller.
Ach, ich weiß noch, daß er selbst die kleine Pizza nur zur
Hälfte gegessen hatte, das heißt nicht mal ganz die Hälfte.«
Wieder lauschte er, dann sagte er erstaunt: »Sein Auto?
Nein, das parkt nicht vor unserem Haus, das hätte ich

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