Die Taeuschung
entscheidest.«
4
Sie saßen in einem kleinen Restaurant in La Cadière, an einem
Tisch mit rotweiß karierter Decke. Laura hatte ihr Essen
unberührt zurückgehen lassen, trank dafür den vierten Kaffee
und spürte an ihrem heftigen Herzklopfen, daß sie die ganze
Nacht kein Auge würde zutun können, aber das wäre auch
ohne Kaffee der Fall gewesen.
Nadine.
Peters Affäre hatte nun einen Namen und ein Gesicht. Einen
Namen, den sie kannte; ein Gesicht, das sie kannte. Sie hatte es
nicht länger mit der anonymen Geliebten zu tun, unter der sie
sich alles mögliche vorstellen konnte, und die sie natürlich
schon längst in ein Klischee gepreßt hatte: attraktiv, dümmlich
und sehr jung, wahrscheinlich kaum über zwanzig.
In Wahrheit stand da eine Frau, die einmal bildschön
gewesen sein mochte, der aber eine unglückliche Ehe und viele
Jahre der Frustration scharfe Kerben in das Gesicht gezeichnet
und das Leuchten aus ihren Augen genommen hatten. Nadine
war alles andere als dümmlich, und sie war auch nicht blutjung.
Sie war zwei Jahre jünger als Laura selbst, was keinen
entscheidenden Unterschied ausmachte.
»Was hat er denn nur in ihr gesehen? Was hat ihn an ihr so
gefesselt? Vier Jahre, Christopher! Vier Jahre bedeuten nicht
nur eine kurze, leidenschaftliche Laune. Vier Jahre bedeuten
Ernsthaftigkeit. Und jetzt wollte er mit ihr sogar nach Buenos
Aires.«
Christopher war überrascht. »Er wollte weg?«
Sie erzählte von den Flugtickets. Von Peters finanziellem
Desaster. Wie sich herausstellte, hatte Christopher von
wirtschaftlichen Problemen gewußt, von deren ganzem
Ausmaß jedoch keine Ahnung gehabt. Von dem geplanten Flug
nach Argentinien hatte Peter nichts erzählt.
»Ich hatte geglaubt, er ... er wolle einfach eine Woche hier
mit ihr verleben«, sagte er und fuhr sich gleich darauf mit
gespreizten Fingern durch die Haare, unglücklich und wütend.
»Ach, verdammter Mist! Das alles muß sich so scheußlich für
dich anhören!«
Sie wagte kaum, die nächste Frage zu stellen, die sich
zwangsläufig aufdrängte. »Im letzten und vorletzten Jahr ...
und im Jahr davor ... als er sich mit dir im Herbst zum Segeln
treffen wollte ... hast du ihn da gedeckt? War er da auch in
Wahrheit mit ...« Sie brachte es nicht fertig, den Namen
auszusprechen. »War er da auch mit ... ihr zusammen?«
Christopher wirkte wie ein in die Enge getriebenes, ertapptes
Kind.
»Im vorletzten Jahr und in dem davor ... ja. Du mußt mir
glauben, ich habe die Situation gehaßt. Ich wollte es nicht tun.
Er hat an unsere alte Freundschaft appelliert, an das, was er
schon alles für mich getan hat ... aber egal, es war mies von
mir, und ich wußte es. Letztes Jahr habe ich mich geweigert.
Ich habe ihm erklärt, daß er mich in eine Lage bringt, die mich
überfordert, der ich mich nicht gewachsen fühle. Ich denke, das
hat er auch eingesehen. Er war zweieinhalb Tage mit mir auf
dem Schiff, danach ... na ja, hättest du in der Zeit angerufen,
dann hätte ich dir gesagt, daß er nicht bei mir ist. Das war ihm
klar, ich habe ihm erklärt, daß ich nicht für ihn lüge. Er hat es
einfach riskiert, und du hast ja dann auch nicht angerufen.«
»Ich wußte, daß er das haßte, wenn er mit dir segelte. Aber
er rief von sich aus jeden Abend an und sagte, daß alles okay
ist ... und ...«
Sie preßte den Handrücken an den Mund. Ihr war übel. Er
hatte angerufen und erzählt, daß er mit Christopher in einem
Hafen sei, daß sie nun gleich irgendwo einen Wein trinken
würden, daß der Tag herrlich gewesen sei ... Und in Wahrheit
war er mit ihr zusammen gewesen, hatte sie kurz zuvor geliebt,
hatte vor, es gleich darauf wieder zu tun, aber dazwischen
mußte rasch die Gattin daheim ruhiggestellt werden, damit sie
friedlich schlief und nicht auf die Idee kam, in Eigeninitiative
Telefonate zu führen.
»Entschuldige!« Sie sprang auf und stürzte in die Toilette.
Sie erbrach den Kaffee und die Pizza vom Mittag. Schwer
atmend spülte sie sich den Mund aus. Sie betrachtete ihr
spitzes, gelbliches Gesicht im Spiegel.
Jetzt hast du schon zum zweitenmal wegen Nadine Joly
gekotzt, dachte sie.
Christopher erwartete sie besorgt.
»Geht es wieder?« fragte er und rückte ihr den Stuhl zurecht.
Sie nickte. »Ja. Ich glaube, ich habe einfach zuviel Kaffee
getrunken.«
»Du hast viel verkraften müssen, heute und in den letzten
Tagen. Es ist kein Wunder, daß dein Magen rebelliert.«
Sie setzte sich. Ihre Hände, die
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