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Die Taeuschung

Die Taeuschung

Titel: Die Taeuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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zur
Straße, nicht über das Tal, aber das interessierte Laura nicht; es
war ohnehin dunkel und sie gar nicht in der Stimmung,
Atmosphäre aufzunehmen und zu genießen.
    Sie lag in einem breiten Himmelbett und meinte, ihr eigenes
Herz laut schlagen zu hören. Der Kaffee hatte sie hellwach
gemacht. Sie spürte ein Zittern im ganzen Körper, und noch
zweimal hatte sie das Gefühl, sich übergeben zu müssen, aber
wenn sie dann im Bad stand, verflog der Brechreiz wieder. Sie
starrte das fremde, bleiche Gesicht im Spiegel an und fragte
sich, wie sie weiterleben sollte.
    Immer wieder dachte sie, daß Anne recht hatte: Es war
wichtig herauszufinden, was mit Peter geschehen war. Aber sie
merkte, daß dieses Rätsel sie im Innersten kaum berührte. In
ihr tobten andere Fragen: die nach dem Warum, die nach
Nadine, die nach der Blindheit, derentwegen sie nichts von all
dem gemerkt hatte.
    Sie stand um sechs Uhr auf, wie gerädert und müder als am
Abend zuvor. Ihre Knie zitterten, als sie unter der Dusche
stand, ihr Magen schmerzte. Im Frühstücksraum, wo sie der
erste Gast war, orderte sie Pfefferminztee statt Kaffee und
quälte sich in winzigen Bissen mit einem Croissant ab. Von
ihrem Tisch aus hatte sie durch die langgezogene Fensterfront
einen herrlichen Blick über das Tal. Noch lag herbstliche
Dämmerung zwischen den Hügeln, aber der Himmel war klar
und wolkenlos, und im Osten kroch leuchtendes Morgenrot den
Horizont hinauf. Es würde ein wundervoller Tag werden,
warm, sonnig und erfüllt von flammenden Farben.
    Sie konnte nichts empfinden bei diesem Gedanken.
Sie verlangte die Rechnung, es war eine stolze Summe, und
als Peters Kreditkarte, die sie nun endlich einmal benutzen
wollte, eingezogen wurde, hielt Laura den Atem an.
Tatsächlich schüttelte die Concierge bedauernd den Kopf.
»Die Karte ist nicht gültig, Madame.«
Offenbar waren alle Konten längst gesperrt. Sie verfügte nun
nur noch über das wenige Geld, das sie vor ihrer Abreise von
ihrem persönlichen Konto abgehoben hatte.
Ich habe, dachte sie, weit größere Sorgen als die Untreue
meines Mannes. Ich werde tatsächlich demnächst kein Geld
mehr haben!
Sie kratzte den Betrag in bar zusammen, was ihre Reserven
erheblich schrumpfen ließ. Dann verließ sie eilig das Hotel. Sie
hatte nichts dabei gehabt und sehnte sich danach, ihre Wäsche
zu wechseln, einen anderen Pulli anzuziehen und sich die
Haare zu bürsten. Ohne zu wissen, was sie danach tun sollte.
Zu Nadine fahren und sie zur Rede stellen?
Sie glaubte nicht, daß sie Nadines Anblick ertragen konnte.
Als sie in die Einfahrt ihres Hauses einbog, hörte sie von
drinnen schon das Telefon klingeln. Sie hatte die Fenster offen
gelassen über Nacht, nicht ganz ungefährlich bei all den
Einbrüchen, die noch immer in der Gegend stattfanden. Das
Klingeln hörte auf, als sie vor der Haustür stand und in ihrer
Handtasche nach dem Schlüssel kramte, aber es setzte gleich
darauf wieder ein. Irgend jemand schien äußerst erpicht darauf,
sie zu sprechen.
Peter, dachte sie, plötzlich elektrisiert, sperrte mit zitternden
Händen das Schloß auf und stürmte ins Wohnzimmer.
Offensichtlich waren niemandem die offenen Fenster
aufgefallen, denn alles befand sich an seinem Platz, friedlich
beschienen von der Morgensonne.
»Hallo?« fragte sie atemlos in den Hörer.
Am anderen Ende war ihre Mutter. Aufgelöst und zugleich
erschöpft. »Ich habe die ganze Nacht versucht, dich zu
erreichen. Wo warst du?«
»Was ist passiert? Etwas mit Sophie?«
»Ich war in eurem Haus, um frische Wäsche für Sophie zu
holen. Die Polizei hatte auf den Anrufbeantworter gesprochen
und um Rückruf gebeten. Ich habe mich dort gemeldet. Man
war von der französischen Polizei beauftragt worden, Kontakt
zu dir aufzunehmen. Es ist ein Mann gefunden worden ...«
Ihr wurde eiskalt, und zugleich überschwemmte Schweiß
ihren ganzen Körper. »Ein Mann?« Ihre eigene Stimme klang
fremd in ihren Ohren. »Wo?«
»Da unten bei euch. Irgendwo in den Bergen. Er war ... er ist
tot, und er«, Elisabeth holte tief Luft, »er hat Peters Papiere bei
sich, daher haben sie hier angerufen, verstehst du?«
»Aber ...«
»Ich habe eine Telefonnummer für dich. Du sollst dich dort
melden. Sie möchten ...«
»Was denn, Mami?« Das verdammte Croissant vom Morgen
drängte nach oben. Laura fragte sich, ob sie wohl je wieder in
der Lage sein würde, Nahrung bei sich zu behalten.
»Sie möchten, daß du dir

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