Die Taeuschung
besuchen, und sie müßte unbedingt dabeisein.
»Versuch doch, sie ein bißchen zu mögen, Nadine. Diese
arme, benachteiligte Frau. Es kann doch nicht so schwer sein!«
Idiotischerweise hatte sie sich tatsächlich überreden lassen.
Es war ein gräßlicher Nachmittag geworden, nicht nur für sie,
sondern ganz sicher auch für Cathérine, die schmale Lippen
gehabt hatte und zur Toilette geeilt war, als Nadine einmal
nach Henris Hand gegriffen hatte. Nadine hatte vermutet, daß
sie sich dort erbrach, und später hatte sie Henri gefragt, ob er
wirklich geglaubt habe, mit dieser Aktion irgend jemandem
einen Gefallen zu tun.
»Ich dachte, wir könnten zu einem vernünftigen Umgang
miteinander finden. Zu einer normalen Art,
zurechtzukommen.«
»Vergiß es!«
»Ja«, sagte Cathérine nun, »das hätte er gern gesehen. Daß
wir Freundinnen werden und es von da an immer wieder
fröhliche Abende und Nachmittage zu dritt gibt. Eine Art
Familie.«
»Wir alle glücklich vereint um seinen Pizzaofen«, sagte
Nadine, und das Wort Pizzaofen klang aus ihrem Mund wie Jauchegrube.
»Er ist harmoniesüchtig«, sagte Cathérine, »das ist er immer
gewesen. Leider macht ihn das sehr angreifbar für Menschen,
die aggressiver und streitlustiger sind als er.« Unsicher und
fahrig faßte sie kurz an ihr Gesicht. Vielleicht war ihr selber
klar, daß sie unvorteilhaft verschmiert aussah.
»Möchtest du ... wollen wir uns ins Wohnzimmer setzen?«
Sie hatte ein paar schöne alte Möbel im Wohnzimmer
stehen, die nicht recht in die triste Atmosphäre paßten. Nadine
vermutete, daß sie sie geerbt hatte, vielleicht von jener Tante,
deren Tod auch für Henri und damit für sie selbst so bedeutsam
geworden war. Auch hier brannte elektrisches Licht, da zu
wenig Helligkeit durch die Fenster hereindrang.
Cathérine deutete auf das Sofa, aber Nadine hatte plötzlich
das Gefühl, lieber stehen zu wollen.
»Schon gut, Cathérine«, sagte sie, »ich möchte mich
eigentlich nicht setzen. Dies ist auch kein offizieller Besuch.
Ich wollte dir nur eine Frage stellen.«
»Ja?« sagte Cathérine. Sie blieb ebenfalls stehen.
»Henri hat mir gesagt, du hättest herausgefunden, daß ich
mit Peter das Land verlassen wollte. Und nun möchte ich
wissen, auf welche Weise du dahintergekommen bist.«
Cathérine wurde blaß. Sie schnaufte ein wenig, es schien ihr
schwerzufallen, ihren normalen Atemrhythmus
wiederzufinden. »Henri hat gesagt ...«, wiederholte sie
schleppend und verstummte dann.
»Du brauchst weder deine noch meine Zeit damit zu
verschwenden, dein widerwärtiges Denunziantentum
abzustreiten. Sag mir nur, wie du’s gemacht hast.«
Cathérines Augen glitten unruhig hin und her, es war, als
suche sie nach einer Möglichkeit, unbeschadet aus der
Situation herauszukommen, und als hoffe sie, diese
Möglichkeit irgendwo hier im Zimmer zu finden. Erst nach
einer Weile richtete sich ihr Blick wieder auf Nadine.
»Wie konntest du«, fragte sie leise, »wie konntest du Henri
so weh tun? Wie konntest du ihn betrügen und hintergehen? Er
war ein anderer Mensch früher. Du hast aus ihm einen
ängstlichen, mißtrauischen, betrogenen Mann gemacht. Er wird
nie verwinden, was du ihm angetan hast. Du hast ihn zerstört.«
Nadine betrachtete angelegentlich die Spitzen ihrer Schuhe,
als gebe es dort etwas Interessantes zu sehen.
»Wie du es gemacht hast«, wiederholte sie mit unbeteiligter
Stimme. »Nur das will ich wissen.«
»Du weißt, daß ich Henri liebe«, sagte Cathérine. »Ich habe
ihn immer geliebt, und ich werde ihn immer lieben. Er wird nie
mehr der Henri sein, den ich kannte, und trotzdem werde ich
nicht aufhören, ihn zu lieben. Das kannst du nicht verstehen,
nicht wahr? Du weißt ja nicht, was Liebe ist. Du brauchst
Bewunderung und Zuwendung, Geld, ein wenig Glamour,
schicke Klamotten. Du suchst einen Mann nur danach aus, ob
er dir diese Wünsche erfüllen kann. Alles andere interessiert
dich nicht.«
»Ich möchte keine Analyse meines Charakters hören,
Cathérine. Grundsätzlich ist mir deine Meinung über mich
sowieso egal. Aber du hast herausgefunden, daß Peter und ich
ein Paar waren, und ...«
Cathérine lachte auf. Es klang so schrill und so bitter, daß
Nadine zusammenzuckte, obwohl sie unbedingt ihren
Gleichmut bewahren, hochmütige Gelassenheit zur Schau
stellen wollte.
»Daß ihr ein Paar ward«, sagte Cathérine, und ihre
verzweifelte Stimme triefte von Hohn. »Die Kunst der
Selbstdarstellung
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