Die Taeuschung
erwarten würde.«
»Ich denke darüber nach«, versprach Jeanne, aber Monique
hatte das beinahe sichere Gefühl, daß sie nach wie vor unter
keinen Umständen zur Polizei wollte.
Als Jeanne gegangen war, versuchte Monique die Zeitung
vom Morgen zu lesen, aber sie konnte sich nicht recht
konzentrieren. Zu viele Gedanken geisterten in ihrem Kopf
herum. Im Grunde konnte auch sie sich nicht mehr einfach aus
allem heraushalten. Wenn Jeanne nicht zur Polizei ginge,
müßte sie selbst es tun. Sie kannte sich nicht in den Gesetzen
aus, aber sie vermutete, daß sie sich strafbar machte, wenn sie
half, eine so wesentliche Information unter den Teppich zu
kehren.
Am Montag, sagte sie sich, am Montag gehe ich zur Polizei.
Und vielleicht hat sich ja bis dahin auch schon der große
Unbekannte gemeldet.
Es war Viertel nach neun. Den ganzen Tag über war es ihr
nicht gelungen, etwas Sinnvolles zu tun. Jetzt raffte sie sich
auf, ging ins Bad und duschte. Ihr war noch immer etwas übel
von den Chips und der Eiscreme, und wenn sie es sich richtig
überlegte, dann hatte sie die ganze Woche über nichts
gegessen, was vernünftiger gewesen wäre. So konnte das nicht
weitergehen. Morgen früh würde sie sich anziehen und auf den
Markt gehen, sie würde viel frisches Gemüse kaufen und sich
zum Abend etwas Schönes kochen. Dazwischen ein
Spaziergang am Meer und ein belebender cafe creme in einem
Strandcafe.
Sie rieb sich sorgfältig mit Bodylotion ein, ehe sie ein
frisches Nachthemd anzog und sich ins Bett legte.
Es war Zeit, wieder unter die Lebenden zurückzukehren.
4
»Vielleicht gab es ganz viele Camilles und Nadines in seinem
Leben. Vielleicht sehe ich nur die Spitze des Eisbergs.
Vielleicht bestand sein ganzes Dasein nur aus Affären und
Liebesabenteuern.«
»Das kann so sein, aber dafür hast du keinen Anhaltspunkt.
Ich weiß nur von Nadine. Warum hätte er mir von Camille oder
einer anderen nicht auch erzählen sollen?«
»Weil er deine Ansichten kennt. Er wußte, du würdest nicht
billigen, was er tut. Du würdest es gerade noch hinnehmen,
wenn er dir von einer Frau erzählt, mit der er mich betrügt,
wenn er behauptet, dies sei nun einmal seine ganz große Liebe
und er sei unrettbar verstrickt in seine Gefühle. Aber sowie er
mit mehreren daherkäme, würde er jegliche Unterstützung von
dir verlieren.«
»Die hat er sowieso verloren. Wie ich dir sagte, habe ich ihn
schon seit dem letzten Jahr nicht mehr gedeckt.«
»Aber bis dahin konnte er auf dich zählen. Nein, keine
Angst, ich meine das nicht vorwurfsvoll. Ich kann durchaus
verstehen, daß die Situation sehr schwierig war für dich. Er war
mal dein bester Freund.«
»Ich habe zu keiner Sekunde in Ordnung gefunden, was er
tat.«
»Ich weiß. Und vielleicht bist du auch von ihm belogen und
betrogen worden. Er hat dir gesagt, er verbringt die
Herbstwoche mit Nadine. Aber woher weißt du, ob das
stimmte? Er kann auch mit Camille Raymond
zusammengewesen sein – oder mit einer dritten oder vierten,
die wir nicht kennen.«
»Wieso gehst du so sicher davon aus, daß er Camille
Raymond überhaupt kannte?«
»Sie sind beide auf die gleiche Art getötet worden. Das kann
kein Zufall sein. Irgendeine Verbindung gibt es zwischen
ihnen. Davon ist auch der Kommissar überzeugt. Und nach
allem, was ich jetzt von Peter weiß, kann es nur eine Art von
Verbindung sein.«
»Nein. Es gibt mit Sicherheit andere Möglichkeiten. Solche,
auf die wir vielleicht gar nicht kommen können. Die es aber
trotzdem gibt.«
»Warum hat er weder dir noch mir je von dieser Frau
erzählt? Wenn sie nur irgendeine Bekannte, eine
Geschäftspartnerin gewesen wäre – dann hätte er sie zu
irgendeinem Zeitpunkt erwähnt. Aber er hat sie vollständig
verschwiegen. Und das läßt für mich nur einen Schluß zu.«
»Aber wieso sind beide am Ende tot?«
»Vielleicht gab es noch einen anderen Mann in ihrem Leben.
Ich weiß, sie war verwitwet. Aber trotzdem kann irgendwo in
ihrem Umfeld ein Mann gewesen sein, der sich Hoffnungen auf
sie machte. Und der ausrastete, als er hinter ihr Verhältnis mit
Peter kam. Er ermordete erst sie und dann ihn. Aus Eifersucht,
Rache, verletzten Gefühlen. Das sind sehr häufige
Mordmotive.«
»Das klingt alles so weit hergeholt.«
»Alles, was mir in den letzten Tagen zugestoßen ist, klingt
weit hergeholt. Mein Leben hat vollständig seine Gleise
verlassen. Nichts ist mehr, wie es war.«
»An einen solchen Punkt kommt fast
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