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Die Taeuschung

Die Taeuschung

Titel: Die Taeuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Mensch, jemand, der behutsam mit anderen
Menschen und deren Gefühlen umging. Laura konnte sich
nicht vorstellen, daß er seiner Frau angetan hätte, was Peter ihr
angetan hatte.
»Tut mir leid, daß ich so gierig war«, sagte er, »aber ich
hatte seit dem frühen Morgen nichts mehr gegessen. Ich hatte
fürchterlichen Hunger.«
»Mir tut es leid, daß ich nichts vorbereitet hatte. Ich weiß
wirklich nichts mehr davon, daß wir verabredet waren.«
Er setzte sich auf das zweite Kissen. »Es muß dir nicht leid
tun. Aber ich hatte mich auf eine ganz kindische Art darauf
gefreut, weißt du das? Hierher zu kommen und von dir mit
einem Essen erwartet zu werden. Eine Situation, wie ich sie
seit Jahren nicht mehr kenne. Erwartet zu werden. Darin liegt
ein ganz besonderer Zauber. Ein Heim, eine Frau, Kinder. Das
Haus, in dem man lebt, wieder als zu Hause empfinden zu
können. Noch einmal einzutauchen in ein Gefühl, das aus
Kindertagen vertraut ist. Für mich ist das jedenfalls so ... Ich
sehe mich als Kind an kalten, dunklen Herbstabenden nach
Hause kommen, sehe meine Mutter, die sich freut auf mich,
sehe die Familie um den Tisch sitzen ... Das war vor ... nun, du
weißt ja. Später war mir ein solches Glück noch einmal mit
Carolin und den Kindern vergönnt. Aber auch das ist ja
inzwischen lange her.«
Er sah so traurig aus, daß es ihr weh tat. Sie erinnerte sich,
daß Peter damals erzählt hatte, Christopher leide unmäßig unter
der Scheidung.
»Ich habe manchmal die Befürchtung, er geht zugrunde
darüber«, hatte er gesagt, »der Umstand, daß die blöde Kuh auf
und davon ist, bringt ihn fast um den Verstand.«
Laura hatte es nicht gemocht, daß Peter Christophers Frau
von dem Moment der Trennung an nur noch als blöde Kuh titulierte. Davor hatte er sie eigentlich recht gern gehabt.
Carolin hatte sich mit den Kindern in der Nähe Frankfurts
niedergelassen und die Simons mehrfach eingeladen, aber Peter
hatte jedesmal unter fadenscheinigen Vorwänden abgesagt, bis
sie begriffen und sich nicht mehr gemeldet hatte. Auch Laura
hatte er jeglichen Kontakt untersagt.
»Das ist ein Akt der Solidarität mit Christopher«, hatte er
gesagt, »wir können nicht mit beiden befreundet sein.«
Laura hatte stets den Eindruck gehabt, daß Christopher diese
Solidarität überhaupt nicht verlangte.
»Du weißt doch gar nicht genau, was da vorgefallen ist«,
hatte sie einmal zu Peter gesagt, »sie hatte vielleicht durchaus
einleuchtende Gründe, zu gehen.«
»Unsinn!« Er hatte ihren Kommentar mit einer unwirschen
Handbewegung zur Seite gewischt. »Christopher war der
treueste, fürsorglichste Ehemann und Vater, den man sich
vorstellen kann. Schon wegen dieser traumatischen Geschichte
mit seiner Mutter. Nein, Carolin kam in die Jahre und meinte
plötzlich, ein Stück auf dem Selbstverwirklichungspfad gehen
zu müssen. Sogar um den Preis, einen hoch anständigen
Menschen tief zu verletzen. Aber der Scherbenhaufen, den sie
anrichten, ist diesen Frauen ja gleichgültig.«
»Welche Art Frauen meinst du? Solche, die sich scheiden
lassen? Du hast damals auch die Scheidung von deiner Ex-Frau
eingereicht. Oder ist das bei Männern anders?«
Sie erinnerte sich, daß er ziemlich aggressiv geworden war.
»Das ist nicht bei Männern etwas anderes. Aber der Fall war
anders. Zwischen Britta und mir herrschte jahrelang nur noch
Krieg, und irgendwann habe ich die Konsequenzen gezogen.
Aber zwischen Christopher und Carolin war alles in Ordnung.
Da gab es kaum je ein lautes Wort!«
»Aber offensichtlich war doch eben nicht alles in Ordnung.
Irgend etwas an dieser Beziehung hat sie unglücklich gemacht.
Mit zwei Kindern läßt man sich nicht so leicht scheiden. Was
wissen wir denn, was sich alles so zwischen den beiden
abgespielt hat, wenn sie allein waren!«
Sie dachte auch jetzt wieder daran, wie heftig sie Carolin
verteidigt hatte. Und doch mußte sie gerade in diesem Moment
auch Peter nachträglich ein Stück weit recht geben: Es war
tatsächlich schwer vorstellbar, wieso eine Frau einen Mann wie
Christopher verließ.
»Warum hast du eigentlich nicht wieder geheiratet?« fragte
sie nun und erschrak im nächsten Moment über sich selbst.
Wie taktlos, eine solche Frage zu stellen!
»Entschuldige«, fügte sie rasch hinzu, »es geht mich
natürlich eigentlich nichts an, und vielleicht ...«
Er lächelte. »Natürlich geht es dich etwas an. Wir sind
Freunde – oder? Ich hätte sehr gern wieder

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