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Die Taeuschung

Die Taeuschung

Titel: Die Taeuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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bedrückende Bilder zu sehen.
Sie trank in kleinen Schlucken ihren Wein, aß dazu das Brot.
Wenigstens konnte sie seit dem Vorabend wieder normal
essen. Für ein paar Momente spürte sie so etwas wie Frieden.
Sie fühlte sich allein, aber es war ein gutes Gefühl.
Sie schrak heftig zusammen, als von draußen an die
Balkontür geklopft wurde. So heftig, daß beinahe das Weinglas
ihren Fingern entglitten wäre. Sie hatte die Fensterläden noch
nicht geschlossen, weil sie nachher noch einmal hinaustreten
und die Sterne ansehen wollte. Nun nahm sie einen großen
Schatten auf der Veranda wahr, einen Mann, vermutete sie, und
allem Anschein nach wollte er zu ihr herein.
Ihr allererster Impuls war, nach oben ins Schlafzimmer zu
laufen und die Tür hinter sich zuzumachen, aber dann dachte
sie, daß das albern sei, und zwang sich, langsam aufzustehen.
Ob er sie schon länger beobachtete? Hier drinnen, im Schein
des Feuers, saß sie schließlich wie auf dem Präsentierteller.
Irgend etwas irritierte sie dabei, aber sie begriff nicht, was es
war.
Doch während sie noch überlegte, hörte sie schon, wie ihr
Name gerufen wurde. »Laura, ich bin es. Christopher! Machst
du mir auf?«
Zutiefst erleichtert, lief sie zur Tür und öffnete. Christopher
drängte herein, rieb dabei seine Hände aneinander. »Das ist
vielleicht kalt draußen! Ich bin viel zu leicht angezogen.« Er
gab ihr einen raschen, freundschaftlichen Kuß. »Hallo, Laura.
Tut mir leid, daß ich zu spät bin. Ich saß den ganzen Tag am
Schreibtisch und habe irgendwann die Uhr aus den Augen
verloren.«
Sie fröstelte in der kalten Luft, die mit ihm ins Zimmer
strömte und schloß rasch die Tür wieder. Etwas verwirrt sah sie
Christopher an. »Wieso zu spät? Waren wir verabredet?«
Er erwiderte ihren überraschten Blick. »Das hatte ich doch
gestern gesagt. Daß ich gegen halb neun heute wieder hier
wäre.«
Mit einem entschuldigenden Lächeln faßte sie sich an den
Kopf. »Es ist nicht zu glauben. Ich erinnere mich wirklich
nicht. Ich bin so durcheinander, seit ... seit das alles passiert ist.
Demnächst werde ich vergessen, wie ich heiße.«
Er lächelte. »Das ist doch nur zu verständlich. Mach dir
deswegen bloß keine Sorgen.«
Er war, dachte sie, toleranter und weniger perfektionistisch
als Peter. Dieser hätte sich kaum eine zynische Bemerkung
verkneifen können.
»Dann«, sagte Christopher, »hast du vermutlich auch nichts
zum Essen vorbereitet?«
Sie schluckte. »Hatten wir das auch verabredet? O Gott ...«
Er lachte, warm und herzlich. »Ja. Aber das ist kein Problem.
Ich lade dich irgendwohin ein. Was hättest du gerne?«
Wäre sie ehrlich gewesen, so hätte sie nun gesagt: »Daß du
wieder gehst.« Sie hatte ein fast schmerzhaftes Bedürfnis,
allein zu sein. Aber nachdem sie schon ihre Verabredung
verschwitzt hatte, konnte sie ihn nicht derart brüskieren. Er
meinte es gut, er wollte sie nicht sich selbst überlassen.
Immerhin brachte sie den Mut auf, ihm zu sagen, daß sie
nicht weggehen wollte. »Ich kann dir Brot und Käse anbieten«,
sagte sie, »oder wir könnten noch etwas von gestern
aufwärmen. Wein ist jede Menge im Haus. Aber ich möchte
jetzt nicht unter Menschen.«
Er verstand das und verschwand in der Küche. Sie blieb vor
dem Kamin, hörte ihn nebenan herumhantieren, mit ein paar
Töpfen und Besteck klappern. Nach einer Weile zog der
Geruch warmen Essens herüber. Er schien in der Küche zu
essen, vielleicht hatte er gemerkt, daß ihr nicht allzusehr nach
Gesellschaft zumute war. Aber der Anflug von Frieden war
gestört, sie konnte spüren, daß sich ihr Körper wieder
verspannt hatte. Sie war nicht mehr allein mit sich.
Er räumte sein Geschirr in die Spülmaschine, wie sie den
Geräuschen entnehmen konnte. Irgend etwas störte sie. Es hatte
nichts mit ihm zu tun, sondern mit ihr selbst. Sie wußte, daß sie
die Situation am gestrigen Abend, als er für sie gekocht und als
sie zusammen gegessen hatten, als anheimelnd empfunden
hatte. Heute hätte es wieder so sein können. Das warme
Zimmer, die tanzenden Flammen, Christophers leises
Hantieren im Nebenraum. Aber das Gefühl vom Vorabend
wollte sich nicht mehr einstellen, und sie schimpfte sich eine
undankbare Ziege, weil sie ihn als lästig empfand.
Er kam ins Zimmer, ein Weinglas in der Hand, und wieder
einmal stellte sie fest, daß er angenehme Bewegungen hatte; es
gab nichts Lautes, Ungeschicktes an ihm. Er war ein
umsichtiger

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