Die Tage des Gärtners - vom Glück, im Freien zu sein
beim Teichbau seien sie zuverlässig. Ich bin so vertrauensselig. Außerdem hatten die Männer ja Vliesmaterial zum Schutz der Folie eingearbeitet. Das Vlies aber führt seinerseits zu neuen Problemen: Kapillarkräfte. Das ist eine lustige Laune der Natur. Flüssigkeiten wandern entgegen der Schwerkraft in dünnen Röhren und Spalten, in Hohlräumen aller Art, wenn sie nur fein genug sind, nach oben. Das kann sich jeder Gärtner mit dieser handlichen Formel ganz leicht selber ausrechnen: Die Steighöhe ist gleich dem Quotienten aus dem Produkt von 1,4 und 10-15 Metern im Quadrat und dem Radius.
Anders gesagt: Je kleiner der Durchmesser einer Röhre, desto größer sind der Kapillardruck und die Steighöhe. Eine Kapillare mit einem Radius von 0,1 Millimeter lässt das Wasser um 14 Zentimeter steigen, 1 Mikrometer Durchmesser zieht das Wasser um 14 Meter nach oben.
Jedenfalls entfalten diese Kräfte eine unerwartet starke Wirkung: Sie können den halben Teich leersaugen. Einfach so. Man muss sich klarmachen, dass Bäume auf diese Weise Wasser in große Höhen bringen. Sie machen sich auch den Sog des verdunstenden Wassers zunutze und den osmotischen Druck, der von den Wurzeln ausgeht. Wenn man das alles zusammenzählt, dann kann ein Baum Wasser bis auf 130 Meter Höhe transportieren. Das ist die physikalische Grenze. Höher kann auf dieser Welt keine Pflanze werden.
Über das Trinken der Bäume hat Helmut Schreier in seinem dendrologischen Klassiker BÄUME – STREIFZÜGE DURCH EINE UNBEKANNTE WELT geschrieben: »In einer regnerischen Mainacht im Jahr 1992 hörte ich, wie der Baum trank. Ich presste mein Ohr an den Stamm und vernahm sein Saugen, sein Pumpen, Schmatzen und Schlürfen … Wir gingen von Baum zu Baum, um unsere Ohren an die Stämme zu halten und verschiedene Saufmuster herauszuhören. Am lautesten schmatzten die Birken, aber am Ende fand ich die Kiefer am interessantesten, ihr ziehendes Schlürfen, ihr klingendes Rauschen, ihr zischendes Knistern.« Schreier gesteht, dass es ihm nach jener Nacht nie wieder gelang, den Bäumen beim Trinken zuzuhören. Aber immerhin.
Das einzige, was mir ein bisschen Trost spendet, ist die Tatsache, dass ich für das Wasser, das da irgendwo im Boden verschwindet, nichts gezahlt habe. Ich bin nicht geizig. Aber es würde mir noch schlechtere Laune machen, wenn mein Geld da zum Opfer der Osmose würde. Hier aber handelt es sich um Wasser aus meinem eigenen Brunnen. Großartige Sache! Ein eigener Brunnen im Garten. Bitte, das ist nicht ein Brunnen wie jener, in den sich Otfried Preußlers Kleines Gespenst auf Burg Eulenstein stürzt, hoch gemauert, mit Winde und Seil und Eimer. Es ist einfach nur ein Rohr, das in einem sechzig Meter tiefen Loch steckt, und irgendwo ist eine kleine Pumpe, und wenn ich den Hahn aufmache, kommt das Wasser mit ungeheurem Druck aus dieser ganzen Tiefe – mit übrigens immer gleichbleibendem Druck, was man im Sommer von der städtischen Wasserleitung nicht sagen kann.
Überhaupt Wasser. Wasser ist wichtig. Das versteht jeder. Aber ist Ihnen klar, wie wichtig Wasser ist? Ich meine nur auf gärtnerischem, nicht auf globalem Niveau. Zur allgemeinen Bedeutung des Wassers hat die UNO ja alles Notwendige gesagt, als sie das Recht auf sicheres und sauberes Wasser zum Menschenrecht erklärte. (Für Freunde des Völkerrechts: Es gab keine Gegenstimmen, aber 41 Enthaltungen, vor allem aus den Reihen der Industriestaaten, weil hier kein einklagbares Recht geschaffen werde – was insofern ein bemerkenswertes Argument war, da die Resolution ohne Chance geblieben wäre, hätte sie ein solches Recht vorgesehen. Aber da steckt man gleich im Disput zwischen Rechtspositivismus und Realismus und der Dualität von Sein und Sollen, und das sprengt unseren Rahmen.)
Es mangelt Deutschland ja an vielem, aber nicht an Wasser. Allerdings ist es, wie andere wichtige Dinge auch, also Geld, Bildung, Glück, Gesundheit und gutes Aussehen, ungleich verteilt.
In Berlin zum Beispiel gibt es nicht viel Wasser (ob die anderen genannten Dinge hier ausreichend vorkommen, muss jeder selbst beurteilen). Im Laufe eines Jahres gehen auf jeden Berliner Quadratmeter 580 Liter Wasser nieder. Das klingt nach irre viel. Ist es aber nicht. Hamburg hat es mit 760 Litern viel besser. Dieser Umstand und der bessere Boden dort und überhaupt das angenehmere Klima erklären, warum die Rhododendren, ohne die, wie gesagt, ein anständiger Garten in Wahrheit ja unmöglich ist, in
Weitere Kostenlose Bücher