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Die Tage des Regenbogens (German Edition)

Die Tage des Regenbogens (German Edition)

Titel: Die Tage des Regenbogens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonio Skármeta
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erwiderte.
    »Mister Bettini, I guess ?«, sagte er und lächelte, so dass ihm der dichte Schnauzbart an die Nase stieß.
    »Yes« , bestätigte der Werbemann.
    »Es ist mir eine Freude, Ihre Bekanntschaft zu machen, mein Herr. Ich heiße Raúl Alarcón, aber meine Freunde nennen mich Florcita Motuda . Ich bin ein Meter achtundfünfzig groß und Dichter und Komponist.«
    »Womit kann ich Ihnen dienen?«
    »Nico Santos schickt mich. Ihr Schwiegersohn in spe.«
    »Worum geht es?«
    »Nico hat mir gestern in der Schule gesagt, Sie wollen mit Lebensfreude die ›Nein‹-Kampagne gewinnen. Die Botschaft soll sein: Wenn ›Nein‹ gewinnt, wird die Lebensfreude ins Land zurückkehren.«
    Bettini wechselte einen Blick mit seiner Frau, die ihm einen Vogel zeigte.
    »Das habe ich vor. Aber sehr weit bin ich noch nicht gekommen. Ich habe noch nicht einmal die passende Musik.«
    »Deswegen hat Nico, Nicomachos, mich zu Ihnen geschickt. Ich habe das Lied, das Sie für Ihre ›Nein‹-Kampagne brauchen.«
    »Eine Ihrer Kompositionen?«
    »O nein. Von Johann Strauß. Aber der Text ist von mir.«
    »Singen Sie doch, bitte.«
    Mit zuckenden Kopfbewegungen sah sich Alarcón im Zimmer um.
    »Piano habemus ?«
    »Habemus« , gab Bettini zurück. Er merkte, wie er blass wurde.
    Er führte ihn in sein Arbeitszimmer, öffnete den Deckel seines Baby Grand und zeigte dem Besucher den Drehhocker. Bevor er sich setzte, wischte der Knirps mit dem Ärmel übers Polster. Er ließ ein paar Tonleitern perlen und atmete tief ein, bevor er einen wuchtigen Akkord in die Tasten setzte.
    Dann folgte eine stürmische Interpretation von An der schönen blauen Donau . Abrupt hielt er inne und sah den Hausherrn herausfordernd an.
    »Haut die Melodie einen nicht um?«
    Trotz seiner Betretenheit musste Bettini über dieses saloppe »umhauen« lächeln, das so gar nicht zu dieser verschrobenen Gestalt passte, die einer Genreszene des spanischen Barocks entschlüpft zu sein schien.
    »Sie haut einen um«, sagte er vorsichtig. »Das ist doch An der schönen blauen Donau von Strauß.«
    »Glauben Sie, es gibt einen Menschen in diesem Land, der nicht in der Lage ist, dieses Lied anzustimmen?«
    »In der Tat bezweifle ich das. Die Melodie ist ein Ohrwurm.«
    Alarcón klatschte sich vergnügt auf die Schenkel.
    »Ein Ohrwurm. Ganz genau, die Melodie ist ein Ohrwurm.«
    »Jetzt bin ich schon neugierig, wo uns das hinführen soll.«
    Die Augen des Knirpses sprühten Funken.
    »Ah, Sie haben also angebissen?«
    Wenn er zuerst seinen Augen nicht hatte trauen wollen angesichts der wie aus der Zeit gefallenen Erscheinung Florcita Motudas, so glaubte er nun, nicht recht zu hören, als ihm ein Kraftausdruck nach dem nächsten um die Ohren flog. Doch er war neugierig geworden.
    »Ja, ich habe angebissen, Alarcón. Kann man so sagen.«
    »Und jetzt, spitzen Sie die Ohren.« Er räusperte sich und befeuchtete sich die Lippen. »Verzeihen Sie meine Stimme, Señor.«
    »Nun los.«
    Nach einer kurzen und arabeskenhaften Klaviereinleitung sang Raúl Alarcón alias El Chiquitito , von seinen Freunden auch Florcita Motuda genannt, folgenden Text zu Johann Strauß’ unsterblichem Donauwalzer:
Man hört nun auch »Nein«,
im ganzen Land »Nein«,
singt alles nur »Nein«,
nur »Nein«, nur »Nein«,
von den Frauen kommt »Nein«,
von Jungen auch »Nein«,
denn das »Nein« das heißt Freiheit,
und darin sind sich alle einig.
Dieses Leben: »Nein.«
Noch mehr Hunger: »Nein.«
Ins Exil: »Nein.«
Mehr Gewalt: »Nein.«
Selbstmord: »Nein.«
Wir alle tanzen
das »Nein«.
Nein, nein.
Nein, nein.
Nein, nei-ein.
Nein, nein, nein.
Nein, nein.
Nein, nei-ein.
Nein, nein.
Nein, nein.
Nein, nein.
Wir alle zusammen tanzen das
»Nein«.
Nein, nein.
Nein, nein …
    »Gestatten Sie, dass ich Sie kurz unterbreche, Señor Alarcón?«
    »Selbstverständlich, Señor Bettini.«
    »Ich muss dringend einen Anruf machen.«
    »Bitte.«
    »Ich bin gleich wieder da.«
    Energisch wählte Bettini Nico Santos’ Nummer.
    »Nico?«
    »Don Adrián!«
    »Hier bei mir ist ein Señor Alarcón.«
    »El Chiquitito? Der Knirps?«
    Bettini musterte die sympathisch herüberwinkende Gestalt.
    »El Chiquitito, ja.«
    »Und? Wie findest du ihn?«
    »Nur eines, wenn du mir noch mal so einen Spinner vorbeischickst, bekommst du bei mir Hausverbot. Und ich werde Patricia verbieten, dich zu sehen.«
    »Aber was hast du denn, Don Adrián?«
    »Was ich habe? Dieses Land kann kein Gramm mehr an Narretei verkraften, und du

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