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Die Tage sind gezählt

Die Tage sind gezählt

Titel: Die Tage sind gezählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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später in chronologischer Reihenfolge nicht mehr rekonstruieren. Alles spielte sich innerhalb weniger Sekunden ab. Während Torku-hit sich instinktiv zu den Seitengittern hinunterbeugte und eine Nanosekunde lang daran dachte, daß es eine schlechte Entscheidung gewesen war, seine Tanks hier Aufstellung nehmen zu lassen, sah er, wie aus dem Kommunikationswagen ein Körper herausgeschleudert wurde.
    Er erkannte den Mann an seinem Helm, den er, wie gewöhnlich, ziemlich nachlässig auf dem Kopf sitzen hatte. Dann hatte Torku-hit seinen eigenen Kopf auch schon zur Seite gebogen und schaute auf den Tunneleingang, in dem jetzt das Steuerhaus eines dunkelrot gestrichenen Containers zu erkennen war.
    C HEMICOR ! Er sah die Buchstaben und prägte sie sich ein. Zu gleicher Zeit registrierte er, daß um ihn herum mehrere Huxe mit ohrenbetäubendem Brüllen in die Luft flogen. Die Seitengitter lösten sich und wehten fort. Lodernde Finsternis. Bruchstücke zerfetzten Metalls zischten durch die Luft. Plötzlich erstarb jedes Geräusch, und es erschien ihm, als würde eine gewaltige, unsichtbare Kraft sämtliche Luft von diesem Platz hinwegsaugen. Torku-hit schien gewichtslos zu sein. Dann explodierte der Container.
    Als er wieder zu sich kam, erinnerte er sich an nichts mehr. Sein Geist war aus allen Fugen geraten, und in seinem Kopf herrschte Chaos. Wie er den Anschlag überlebt hatte, war ihm unklar. Auf jeden Fall lag er neben dem umgestürzten Kommunikationswagen. Immer noch wirbelten verbogene Metallplatten und Eisenfetzen herum, hämmerten auf den Boden ein und wühlten ihn auf. Lichtblitze. Endlich begriff er wieder. Das apokalyptische Licht schien die ganze Stadt ergriffen zu haben, aber natürlich war das ein Irrtum. Er sah blutende und tote Männer, und an einigen Stellen war die Erde mehrere Meter tief aufgewühlt. Die Lichtsäulen hingen wie riesige, abgebrochene Kunstblumen in einem leeren Raum.
    Dann kehrten die Geräusche zurück, und alles, was sich um Torku-hit herum abspielte, geschah wieder im richtigen Zeitablauf. Manche Kampfwagen lagen schief in den kochenden Feuerlöchern des Platzes, und es schien, als hätten die Fahrer, angeleitet von einem tödlichen Instinkt, die Motoren angestellt. Als hätten sie das Attentat vorausgesehen und alle Vorbereitungen zur Flucht getroffen. Torku-hit erkannte die Leichen nicht. Einmal sah er einen Uniformierten, der den Kopf eines anderen hielt, während dieser stöhnend die Hände vor den Leib preßte.
    »Der Container ist explodiert!« hörte er jemanden rufen. Wie absurd. Die Stimme dieses Idioten sorgte dafür, daß erneut das Bild vor Torku-hits Augen auftauchte. Der einstürzende Tunnel, der in grünblauem Licht aufblitzende Container. Er sah, wie die Huxe sich auf die Seite legten und die Seitengitter hoch in die Luft flogen. Dann wurde ihm bewußt, daß man vom Hauptquartier aus alle seine Reaktionen aufzeichnen und analysieren konnte.
    Wie komme ich hier heraus? fragte er sich.
    Er hörte den Kommunikator schreien. Der Mann lebte also noch. Torku-hit setzte sich auf, gelangte auf die Füße und begann zu laufen. Er begriff nicht, daß es die Angst war, die ihn vorantrieb.
    Torku-hit bewegte sich so voran, wie man es ihm bereits lange Jahre vor dem Kriegsausbruch beigebracht hatte. Da er sich in den Außenbezirken der Stadt befand, bestand die Gefahr, daß man ihn jeden Augenblick an seiner Uniform erkannte. Zwar hatte er während der gesamten Besatzungszeit ausreichend Gelegenheit gehabt, taranisch zu lernen, aber sein Akzent war dessenungeachtet verräterisch und sein Wortschatz begrenzt geblieben. Er erinnerte sich, die Kurse zu sehr auf die leichte Schulter genommen zu haben, aber das lag daran, daß er die Stadt und die Menschen, die diese Sprache sprachen, stets verachtet hatte.
    Zumindest konnte er jetzt wieder hören. Zwar waren seine Sinne noch nicht zu ihrer normalen Stärke zurückgekehrt, aber alles, was er hörte und sah, war katalogisierbar und in einen logischen Zusammenhang zu bringen.
    Torku-hit hörte fortdauerndes Schießen und sah das Aufblitzen von Mündungsfeuern. Er konnte ungefähr schätzen, wie weit er von der Ozeanmauer entfernt war, auch wenn er im Augenblick noch nicht wußte, in welche Richtung er sich konkret wenden sollte. Sein Wille und das Urteilsvermögen waren nur begrenzt vorhanden. Aber immerhin hatte er den Stadtplan im Kopf.
    Als Offizier der Mächtigen, das war ihm klar, gehörte er zu den meistgehaßten Personen in der

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