Die Tage sind gezählt
gesamten Tunnel keinerlei Bewegung erkennbar sei. Der Verkehr war zum Stillstand gekommen.
»Wenn der Container zu lange in dem Tunnel stehen muß«, sagte er, »kann das zu Komplikationen führen. Es kann einen ganz hübschen Knall geben, wenn all das chemische Zeug in die Luft gehen sollte. Mit dem Resultat, daß der Tunnel verschüttet wird.«
»Weiß denn jemand, was sich in dem Container befindet?«
»Frag mal meine Schwester«, murmelte der Kommunikator ironisch. »Die hat mehr als genug von diesem Zeug.«
Die freie Ausdrucksweise in der Garnison gab, wie Torku-hit feststellte, mehr Probleme auf als sie Erleichterungen mit sich brachte. Eiskalt ignorierte er das Gerede seines Kommunikators und fragte sachlich und kühl: »Wie lang ist die Schlange?«
»Vier Kilometer.«
Der Kommunikator schwieg. Er hatte schließlich keine Anweisungen zu geben. Selbst Torku-hit mit seiner stolzgeschwellten Brust war dazu nicht in der Lage. Hier bestimmte nur das Hauptquartier. Und auch diese Leute sah man nur über Video. Meistens Amarun. Es gab nicht einmal die Chance, irgendeinen Vorschlag zu machen. Selbst in der Garnison hatte man höchstens Kontakt zu seinen unmittelbaren Vorgesetzten. Alles andere erledigte die Elektronik. Und selbst die Vorgesetzten hatten seit Jahren kein Gespräch unter vier Augen mit einem der Mächtigen geführt. Kontakte mit der Heimat waren völlig ausgeschlossen. Sie waren in der Tat die Gefangenen dieser Stadt.
Vor acht Jahren hatte man sie als Elitetruppen in einen Krieg geworfen, der nur von kurzer Dauer gewesen war. Man hatte die Flugfelder von Taran innerhalb weniger Stunden vernichtet, die Raketenbasen umgepflügt und ausgebrannt. Der ganze Feldzug hatte nur ein paar Wochen gedauert. Und seitdem saßen sie hier fest mit ihren Kontrollkolonnen. Seit acht Jahren umrundeten sie die Stadt, drohten mit ihren Waffen und protzten mit der Kraft ihrer Huxe. Manchmal verloren sie einen ihrer Leute bei einem Attentat. Er konnte nicht ersetzt werden. Und auch von zu Hause kam niemand mit Nachrichten oder Klatsch, Fotos und Erinnerungen. Man hatte die Stadt für tributpflichtig erklärt, und so sandte sie der Garnison monatlich Container wie jene von C HEMICOR mit Proviant und allem, was sie brauchten. Gesteuert wurden sie von schweigenden Taraniern, die nur Befehle ausführten. Menschliche Kontakte gab es nicht. Die Zeit schien stehengeblieben zu sein, und der Raum, der sie umgab, bestand aus den finsteren Mauern einer geheimnisvollen Stadt.
Torku-hit schälte einen Apfel. Es war ihm beinahe gelungen, die Hälfte der Schale zu entfernen, als ihm die Frucht aus den Fingern glitt und klatschend auf den Boden fiel. Der Saft benetzte den Boden seines Hux, aber auch die Stiefel, die er trug. Ihm war, als hätte man ihn füsiliert und das Blut liefe an seinen Beinen herunter.
Auf dem Video war zu erkennen, daß der Stau mittlerweile größere Dimensionen angenommen hatte. Es würde Stunden dauern, bis der Verkehr weiterging. Bei den momentanen Wetterverhältnissen konnten bald die ersten im Tunnel stehenden Wageninsassen am Kohlendioxid ersticken. Oder in ein Koma versinken.
Amaruns unsympathisches Gesicht versuchte mehrere Male ins Bild zu kommen, aber der Schirm schien an diesem Abend besonders allergisch gegen sein stumpfsinniges Grinsen zu sein. Das Bild brach laufend zusammen und zeigte gerade einige Fetzen seiner selbst.
Erneut sprang Torku-hit aus seinem Kampfwagen. Da er der Mannschaft auf keinen Fall erzählen konnte, daß er es nicht über sich bringen konnte, Amarun länger anzuschauen, ging er lieber hinaus. Außerdem standen seine Tanks in einer sauber ausgerichteten Linie neben der Schnellbahn. Die abgrenzenden Gitter klapperten und klickten, während er vom Sturmwind gebeugt auf seine Leute zuging. Sechs dunkle Figuren in den eckig wirkenden Uniformmänteln des Imperiums. Er dachte daran, daß man jeden Moment damit rechnen mußte, durchnäßt zu werden, und der Gedanke war kaum durch sein Gehirn gehuscht, als mit einem entsetzlichen Donnern und Dröhnen, in das sich ohrenbetäubendes Geschrei mischte, verbunden mit einem schrillen Pfeifen, etwas aus der Öffnung der ultraschnellen Nordsüdröhre auf ihn zugeflogen kam.
Torku-hit hatte fast die sechs wartenden Gestalten vor den Tanks erreicht, als ihn plötzlich ein enormer Rückenwind voranschob, ihm beinahe die Kleider vom Leibe fetzte und seine Beine wegriß. Was in diesem Augenblick ausbrechender Gewalt genau geschah, konnte er
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