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Die Tage sind gezählt

Die Tage sind gezählt

Titel: Die Tage sind gezählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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Gebrüll des aufpeitschenden Gewässers ihre vorankriechenden Leiber die turmhohen Säulen, die den Ring trugen, zum Zittern brachten. Die Spitzen ihrer Antennen und die aufragenden Geschütztürme waren starr auf die Innenstadt gerichtet.
    Die Nachtschichtler waren an die Machtdemonstrationen ebenso gewöhnt wie ein Jagdhund an das Gewehr seines Herrn. Sie unterwarfen sich den metallenen Ungetümen, wie sie sich der eigenen Bedürfnislosigkeit unterwarfen und waren nicht einmal mehr im Stande, Angst zu haben. Angst und Freude: es gab nichts mehr, was sie bewegen konnte, nichts, was sie zu empfinden vermochten.
    Gelegentlich waren die unheildrohenden Paraden zum Ziel von Anschlägen geworden, und mehr als einmal hatten die Mächtigen daraufhin ganze Viertel der Stadt unter Feuer genommen. Sobald einer der Kampfwagen in einer hochaufschießenden Stichflamme verging und das erschreckte Geschrei der Insassen vom Krach zerbrechenden Stahls übertönt wurde, änderten die Kolonnen ihren Kurs, drangen in die Stadt ein und schossen auf alles, was durch die Sehschlitze ihrer Tanks zu erkennen war.
    Die Mächtigen mußten sich vor solchen Anschlägen schützen, weil das Innere der Stadt für sie äußerst gefährlich war und weil es einen fruchtlosen Versuch darstellte, die Illegalen in die Finger zu bekommen. Bisher war es ihnen niemals geglückt, und sie waren sich zudem sicher, daß sie niemals einen der Rebellen zum Reden bewegen konnten. Es war bekannt, daß sogar die führenden Persönlichkeiten der Stadt ihre Söhne in den Eidverbund eingebracht hatten, der sich zum Ziel gesetzt hatte, die Besatzer zu bekämpfen. Es war ein Kampf gegen Unsichtbare, und er wurde mit einer Erbitterung ausgefochten, die kompromißlos war, jedenfalls was die Nachtstunden anbetraf. Bei Tageslicht herrschte das große Schweigen.
    Obwohl die Mächtigen die Stadt mit den Waffen ihrer überlegenen Technik niederhielten, waren sie nicht in der Lage, die Macht über einzelne Individuen zu erringen. Nur im gesamten war es ihnen möglich, der Stadt ihren Willen aufzuzwingen, und deswegen war es nötig, tägliche Patrouillen über den Ring zu schicken und gelegentliche Vergeltungsaktionen gegen die Stadt als Ganzes zu führen. Wenn es einmal dazu kam, daß die Patrouillen auf Befehl ihres im Norden der Stadt liegenden Hauptquartiers in die Straßen vordrangen, gingen sie für gewöhnlich mit einer Kaltblütigkeit und Brutalität vor, die ihresgleichen suchte. Man gestand den Soldaten des Imperiums völlige Unbarmherzigkeit zu. Da die Männer bei solchen Aktionen keinerlei Rechtfertigung abzugeben brauchten, fielen sie wild über die Stadt her, und ihr Hauptziel bestand dann nur noch darin, jemanden zu treffen, da sich die wirklich Gesuchten niemals fassen ließen.
    Die Stadt war ein Natternnest. Korrupt und stolz schmeichelte und betrog, streichelte und würgte sie. Sie kaufte die Offiziere der Mächtigen, erpreßte und kompromittierte sie, schwächte ihren Mut und ihr Selbstvertrauen, brach ihre Standfestigkeit da, wo sich auch nur die geringste Chance bot, bestahl sie, legte sie herein und verriet sie. Sie nahm jede Gelegenheit wahr, um mit größter Durchtriebenheit so viele Offiziere und Mannschaften des Imperiums auszuschalten, derer sie habhaft werden konnte.
    Und die Mächtigen wußten in der Tat sehr genau, daß sie die Stadt niemals wirklich unterwerfen konnten; daß stets nur eine Art Scheinfriede bestand, der ihr auch noch die Möglichkeit einräumte, ihre Anschläge besser zu berechnen und ihre Listen eingehender zu planen. Ein öffentlicher Angriff auf die Rebellen konnte auf lange Sicht zu einem neuen Krieg führen, zu einem Kampf von Haus zu Haus, der mit der Vernichtung der Stadt endete und den Tod der Gesamtbevölkerung mit einbezog. Da das Imperium dieses Risiko nicht einging, hatte die Bedrohung, die gesamte Stadt in einer gewaltigen Explosion vergehen zu lassen, daß nichts übrigblieb als ein enormer Krater, umspült von den Wellen des Ozeans, seit Jahren alle Bedeutung verloren.

    Auf der großen Straße, wo der hauptsächlich aus dem Hinterland kommende Fernverkehr, der die Stadt mit Lebensmitteln versorgte –, in den Ozeanwall mündete; genau an der Stelle, wo sich die kolossale Mauer mehr als zehn Meter über die Brandung erhob, fuhren die Kampfwagen im Licht hin und her streifender Scheinwerfer umher und richteten ihre Schnauzen auf die Ebene, wo der Zugangstunnel zur Stadt phosphoreszierend leuchtete.
    Hier hielt die

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