Die Tallinn-Verschwörung - Thriller
blicken, dass dieser die Echtheit der Stempel und Eintragungen erkennen konnte.
»Ich bin auf dem Weg nach Tallinn«, sagte er.
»Ah, Sie wollen auch zu dem großen Zirkus dort oben. Na, dann viel Vergnügen. Dort sind genug Polizisten und Geheimdienstleute, dass jeder Einwohner fünffach überwacht werden kann. Aber was wollen Sie dann von mir, wenn Sie dorthin fliegen?«
Torsten öffnete seine Jacke und ließ die CZ 75 sehen. »Ich habe keine Lust, bei einer Kontrolle dumme Fragen gestellt zu bekommen.«
»Das kann ich mir vorstellen.« Der Polizist griff nach einem Vordruck, füllte ihn aus und knallte einen Stempel darauf.
»Das wird reichen, auch für Ihre Begleitung«, sagte er und streckte Torsten den Zettel zu. Der überflog ihn und nickte erleichtert. Es war leichter gegangen als erwartet. In Deutschland hätte er mit seinem Wunsch einen Behördenkrieg ausgelöst, doch hier sah man die Sache lockerer. Für den Mann hinter dem Schalter war er ein Kollege, und dem war man gerne behilflich. Er wollte schon gehen, als der Österreicher ihn zurückrief.
»Nach Tallinn fliegen Sie? Das ist ausgezeichnet! Wissen Sie, wegen dem ganzen EU-Zeug sind so viele unserer Leute im Einsatz, dass wir knapp an Kräften sind. Jetzt ist auch noch der Sky-Sheriff ausgefallen, der den Flieger nach Tallinn begleiten soll. Der arme Hund hat sich beim Aufstehen den Haxen verstaucht. Könnten net Sie den Job übernehmen? «
Torsten fiel das halbe Watzmannmassiv vom Herzen. Eine bessere Möglichkeit, ungeschoren nach Tallinn zu kommen, gab es nicht. Allerdings würde er vorsichtig sein müssen, damit er nicht den falschen Leuten über den Weg lief. Major Wagner und dessen Männer würden sich wundern, ihn mitten in diesem Trubel statt in den Schweizer Bergen zu sehen.
»Das mache ich gerne. Ich brauche nur die entsprechenden Papiere«, erklärte er freundlich lächelnd.
»Das ist gar kein Problem!« Der Beamte angelte sich den nächsten Vordruck, und kurz darauf hielt Torsten eine Bescheinigung in Händen, die ihn als Sky-Sheriff für den Austrian-Airlines-Flug 407 nach Tallinn auswies. Er bedankte sich bei dem Flughafenpolizisten und schüttelte beim Hinausgehen den Kopf darüber, wie leicht alles gegangen war. Die österreichische Exekutive, die im Allgemeinen ziemlich hart durchgriff, war, was die Zusammenarbeit mit den Polizeibehörden anderer Länder anging, von einer fast fahrlässig zu nennenden Großzügigkeit.
Petra und Graziella hatten Torstens Gespräch mit dem Flughafenpolizisten fassungslos verfolgt und nicht gewagt, etwas zu sagen. Erst als sie wieder draußen waren und auf den Abfertigungsschalter zugingen, brachte Petra einen Einwand hervor.
»Bist du nicht arg leichtsinnig, Torsten? Was ist, wenn der Bulle die Daten an deine Dienststelle weiterleitet?«
Torsten grinste wie ein Schuljunge, dem ein besonders guter Streich gelungen war. »Ich glaube nicht, dass er das tut. Der schaut sich lieber die Schweinereien an, um die er irgendwelche Reisende erleichtert hat.«
An der Kontrolle wies er den Vordruck vor, den er bekommen hatte, und wurde sofort durchgewinkt. Auch Graziella, Petra und deren Gepäck wurden nicht untersucht. Sie hätten alles Mögliche schmuggeln können, und zum ersten Mal fragte er sich, ob Hoikens vielleicht auch auf diese Art vorgehen würde.
ZWÖLF
D er Flug nach Tallinn verlief ohne jeden Zwischenfall. An Bord befanden sich vor allem österreichische Journalisten, die von dem EU-Gipfeltreffen berichten wollten, ein paar Geschäftsreisende und natürlich Sensationstouristen, die hofften, wenigstens einen Blick auf die Spitzen der EU werfen zu können. Es gab kontroverse Diskussionen, denn die meisten Reisenden waren der Ansicht, dass sich die EU stärker gegen das Drängen der USA hätte zur Wehr setzen sollen, die Türkei in die Gemeinschaft aufzunehmen. Die Unruhen in München und anderen großen europäischen Städten hatten ihre Wirkung nicht verfehlt.
Torsten beteiligte sich nicht an den Gesprächen. Wer hätte ihm schon geglaubt, dass die bürgerkriegsähnlichen Zustände zum größten Teil durch Provokationen nationalistischer Kreise ausgelöst worden waren, während der Rest – wie Petra ihm berichtet hatte – zumeist auf das Konto islamistischer Kreise ging, die nicht wollten, dass der europäische Einfluss in der Türkei noch stärker wurde.
Als Torsten in sich hineinhorchte, kam er zu der Überzeugung, dass seine eigene Haltung zu der politischen Situation äußerst
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