Die Target-Falle: Gefahren für unser Geld und unsere Kinder (German Edition)
zu einem Zusammenbruch kommt, bei dem auch die Gläubigerländer ihre finanzielle Stabilität verlieren, wenn sie nicht gar selbst insolvent werden. So gesehen, war das Geld im Schaufenster nicht wirklich stabilisierend. Es wirkte vielmehr wie ein Dopingmittel, das die Symptome der Krankheit übertünchte und ursächliche Therapien entbehrlich zu machen schien. Dadurch ist die Krankheit in ein Stadium gekommen, bei dem die Chancen auf Heilung schon erheblich gesunken sind und die Hoffnung nur noch in riskanten und schmerzvollen Operationen gesucht werden kann.
Ich habe den Begriff Target-Falle als Buchtitel gewählt, um die Pfadabhängigkeit der Politik zu beschreiben, die ich hier sehe: Erst stellt die EZB scheinbar unbegrenzte Target-Kredite ins Schaufenster, die das System vordergründig stabilisieren und niedrige Zinsen erzeugen, doch dann stellen sich wegen der zu niedrigen Zinsen strukturelle Probleme ein, sodass den Märkten zunehmend Zweifel kommen, ob das Geld im Schaufenster bei einem Crash der Südländer tatsächlich reichen würde. Privates Kapital zieht sich zurück, und das Geld im Schaufenster der EZB wird tatsächlich genommen. Der Kapitalbedarf der Krisenländer ist aber so riesig, dass selbst bei der EZB Zweifel aufkommen, ob sie genug Nachschub liefern kann. Sie sieht sich gezwungen, nach Entsatz durch die Rettungsschirme der Politik zu rufen. Die Rettungsschirme werden anfangs nur klein dimensioniert und sind schnell verbraucht, was die Märkte veranlasst, noch mehr Geld zur Stabilisierung zu fordern. Stets erscheinen die neuen Rettungsbeschlüsse als alternativlos, weil die politischen Entscheidungen auf den Vorstufen des politischen Prozesses als nicht mehr veränderbar gelten und eine Verweigerung den unmittelbaren Crash auszulösen droht. So rutscht Europa immer tiefer in den Schuldensumpf.
Ob die Völker Europas dort in Eintracht miteinander leben werden, wage ich zu bezweifeln, denn aus Freunden und Nachbarn werden Gläubiger und Schuldner. Die Geschichte ist voller Beispiele für die problematischen Beziehungen zwischen Gläubigern und Schuldnern. Ich möchte gar nicht daran denken, was alles daraus entstehen kann.
Heute ist die Situation in der Eurozone ziemlich verfahren, und leichte Auswege bieten sich nicht mehr. Noch immer streiten diejenigen, die an die Theorie vom Geld im Schaufenster glauben, mit jenen, die das Fass ohne Boden befürchten, um den richtigen Weg. Die Spaltung geht quer durch die Ökonomenzunft. Seriöse Ökonomen wie Paul Krugman aus den USA oder Paul De Grauwe aus Belgien plädieren mit Nachdruck für eine weitere Ausweitung der Kreditmittel, um der Krise Herr zu werden. Andere, nicht minder achtenswerte Kollegen wie die Amerikaner Kenneth Rogoff oder Martin Feldstein betonen die Notwendigkeit, zu härteren Budgetbeschränkungen zurückzukehren und die Eurozone zu verkleinern.
Auch in Deutschland ist die Disziplin der Ökonomen nicht in allen Punkten einer Meinung. Sie ist aber weitaus weniger zwiespältig, als man es den Presseberichten zu zwei Ökonomenaufrufen zur Bankenunion entnehmen konnte. Die Aufrufe standen nämlich tatsächlich gar nicht im Widerspruch zueinander, sondern waren komplementär zu sehen. Fast alle deutschen Ökonomen wollen (wie auch ich) den Euro erhalten, die Banken einheitlich regulieren und die privaten Anleger statt der Steuerzahler stärker in die Haftung nehmen. Gewisse Unterschiede gibt es nur bei der Abwägung zwischen den kurzfristigen und langfristigen Gefahren der Rettungspolitik und dementsprechend bei der Bereitschaft, noch mehr öffentliches Geld ins Schaufenster zu legen, als dort ohnehin schon liegt. Auch diejenigen, die noch etwas mehr Geld geben wollen, befürchten, dass das Geld unter Bruch der schönen Regeln dann doch genommen wird und der Teufelskreis sich fortsetzt.
In diesem Buch geht es mir darum, die Fakten zu dem Geschehen zusammenzutragen, die einen differenzierteren Blick auf den Sachverhalt ermöglichen und es dem Leser erlauben, sich selbst ein Urteil zu bilden. Dabei spielen die Target-Kredite eine zentrale Rolle, eben weil sie zwei Drittel des Geldes im Schaufenster ausmachen, das bislang genommen wurde, und dennoch von der offiziellen Politik negiert und kleingeredet werden.
Ich habe versucht, den Gegenstand so einfach wie möglich darzustellen, aber doch auch die nötige Präzision zu wahren. Der Leser wird feststellen, dass einige Kapitel mehr Konzentration als andereerfordern, so insbesondere die
Weitere Kostenlose Bücher