Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Target-Falle: Gefahren für unser Geld und unsere Kinder (German Edition)

Die Target-Falle: Gefahren für unser Geld und unsere Kinder (German Edition)

Titel: Die Target-Falle: Gefahren für unser Geld und unsere Kinder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Werner Sinn
Vom Netzwerk:
Dresden Studien 63, München 2012, S. 35.
    Besonders stark sind die irische und die spanische Zinslast zurückgegangen. Das liegt daran, dass diese beiden Länder ihre Budgetdefizite in den guten Jahren stark zurückgefahren haben, und natürlich auch an dem raschen Wirtschaftswachstum, das den Nenner der Zinslastquote reduziert hat.
    Aus Spanien und Italien hört man heute immer wieder die Meinung, dass die Zinslasten untragbar zu werden drohen und dass ein Land Zinssätze von mehr als 6 % finanziell nicht verkraften könne. Deswegen brauche man Eurobonds zur gemeinsamen Kreditaufnahme. Das gegenseitige Haftungsversprechen, das die emittierenden Länder einander und gegenüber ihren Gläubigern abgeben, sei erforderlich, um die Zinsen wieder auf ein tolerables Niveau zu senken. Deutschland weigert sich bekanntlich, diesem Verlangen nachzugeben, weil es befürchtet, dann für die Staatsschulden der Südländer aufkommen zu müssen.
    Wie berechtigt diese Klagen sind, ist debattierbar. Einerseits waren die Zinssätze, die die Länder heute für nicht tolerabel halten, früher überall üblich. In den 70er-Jahren hat selbst der deutsche Staat trotz höchster Bonitätsnoten Zinsen in Höhe von etwa 6 % (1977) bis 10 % (1974) auf neu emittierte Staatspapiere zahlen müssen, und in Italien und Spanien waren damals bis zu 15 % üblich. Andererseits würden Zinsen von 6 % bis 7 % noch lange nicht die Zinslasten entstehen lassen, die üblich waren, als der Euro eingeführt wurde. Italien müsste dann beim heutigen Schuldenstand von 120 % des BIP nach einer vollständigen Umschuldung aller ausstehenden Staatsschulden mit 8,4 % Zinslastquote rechnen und Spanien mit seiner Schuldenquote von knapp 69 % mit 4,8 % Zinslastquote. Wie Abbildung 3.2 zeigt, wäre das immer noch weniger als das, was diese Länder früher zahlen mussten.
    Sicher, damals gab es auch mehr Inflation, und der Staat konnte insofern immer wieder aus seinen Schulden herauswachsen. Das BIP blähte sich inflationär auf, während die Schulden nominal definiert waren und insofern relativ zum BIP zurückblieben, wenn man nicht wieder neue Schulden aufnahm. Die Zinsen enthielten damals eine Inflationskomponente, die die Käufer der Staatspapiere als Entschädigung für die Entwertung ihres Kapitals verlangten, und indem die Staaten diese Komponente in den hohen Zinsen mitbezahlen mussten, enthielt ihre Zinslast in realer Rechnung eine Tilgungskomponente. Gleichwohl mussten die hohen Zinsen in den Haushalt eingestellt und erst einmal bezahlt werden. Beim Bestreben, in den Euro zu gelangen, ging es auch darum, diese Tilgungskomponente zu vermeiden.
    Um ein Gefühl für die Größenordnung der Lasten zu bekommen, mag auch ein Vergleich mit den Lasten, die Westdeutschland nach der deutschen Wiedervereinigung zu tragen hatte, nützlich sein. Die graue Kurve in Abbildung 3.2 zeigt, dass die kumulierte Last aus den anteiligen Zinsen auf die Staatsschuld und den West-Ost-Transfers, die Westdeutschland tragen musste, zuletzt bei etwa 6 % des BIP lag,während die Zinslasten von Italien und Spanien nur bei 4,8 % beziehungsweise 2,4 % des BIP lagen. Auch insofern kann im Gegensatz zur Beteuerung der Regierungen dieser Länder von exorbitanten Lasten aus der Staatsverschuldung im Moment wahrlich noch nicht die Rede sein.
    Der Zinsvorteil gegenüber dem Referenzzeitraum 1991 bis 1995, den Italien durch den Euro erzielt hat, war trotz der sich ausspreizenden Zinsen im Jahr 2011 im Übrigen immer noch um etwa ein Achtel größer als das gesamte Mehrwertsteueraufkommen Italiens, das 2010 bei 6,2 % des BIP lag.
    Man hat Italien seinerzeit sehr gelobt, weil es das Defizitziel für den Eintritt in die Eurozone gegen die Erwartung vieler mit leichter Hand erreicht hat. Noch im Jahr 1995 hatte das Defizit des Staates bei 7,7 % des BIP gelegen, doch im Referenzjahr 1997 betrug es nur noch 2,7 % und unterschritt damit das zulässige Höchstniveau von 3 %, was Italien endgültig für den Euro qualifizierte. Die Zinseinsparung in dieser Zeit betrug aber 2,3 Prozentpunkte des BIP, erklärt also nahezu die Hälfte der 5,0 Punkte Defizitverringerung. Insofern hatte sich der Euro die Beitrittsbedingungen im Falle Italiens großenteils schon selbst erfüllt.

DAS WAHRE SCHULDENPROBLEM
    Alle Länder der Eurozone wurden im Verlauf der Krise wegen der Rettungsaktionen und auch wegen der wegbrechenden Steuereinnahmen in die Staatsverschuldung getrieben. Die These indessen, dass sie

Weitere Kostenlose Bücher