Die Target-Falle: Gefahren für unser Geld und unsere Kinder (German Edition)
in die Krise gerieten, weil sie sich zuvor zu stark verschuldet hatten, ist nicht generell richtig. Sie stimmt für Griechenland und Portugal, nicht aber für Irland und Spanien. Abbildung 3.4 belegt dies mit der Entwicklung der Staatsdefizite sehr deutlich. Irland und Spanien hatten das Defizitkriterium des Stabilitäts- und Wachstumspaktes von der virtuellen Einführung des Euro im Jahr 1999 bis zum Ausbruch der Krise im Jahr 2007 nie verletzt und erzielten in den letzten Jahren vor dem Ausbruch der Krise sogar Budgetüberschüsse. Erst mit und wegen der Krise entwickelten sich auch bei ihnen große Defizite.
Allerdings sind diese beiden Länder sehr stark im Ausland verschuldet. Das zeigt die nachfolgende Abbildung 3.6 . Die Endpunkte der dort gezeigten Säulen, genauer die Endpunkte der schwarz umrandeten Säulenstücke, die jeweils mit schwarzen Ziffern versehen sind, messen die Nettoauslandspositionen der Länder, die heute zum Euroraum gehören. Ist die schwarze Ziffer negativ, gibt sie die erwähnte Nettoauslandsschuld eines Landes wieder, ist sie positiv, misst sie das Nettoauslandsvermögen.
Die Nettoauslandsposition ist definiert als die Summe aller Forderungstitel von Inländern gegenüber Ausländern inklusive ausländischen Realvermögens abzüglich der entsprechenden Titel, die Ausländer im Inland halten. Sie bildet sich durch die Addition von Leistungsbilanzsalden über die Zeit, die in der Statistik noch durch Umbewertungseffekte bei Marktwertänderungen der Vermögenstitel korrigiert werden. 22
Man sieht, dass die Auslandsschulden Irlands und Spaniens Ende 2011 bei 98 % beziehungsweise 92 % des BIP lagen und damit sogar Griechenland (79 %) übertrafen. Nur Portugal wies mit einer Schuldenquote von 103 % einen noch höheren Wert auf. Die hohe Auslandsverschuldung Irlands und Spaniens lässt sich durch die staatlichen Budgetdefizite vor und selbst während der Krise nicht erklären. Woher stammt sie?
Die Abbildung beantwortet diese Frage, indem sie die jeweiligen Nettoauslandspositionen der Länder in verschiedene Komponenten aufteilt:
Leistungsbilanzdefizite (flächig rot) beziehungsweise -überschüsse (flächig grün) während der Blasenbildung, also in der Zeit vom Gipfel in Madrid 1995 bis zum Beginn der Krise im Jahr 2007,
Leistungsbilanzdefizite (weiß, rot umrandet) beziehungsweise -überschüsse (weiß, grün umrandet) in der Krise, von 2008 bis 2011,
Umbewertungseffekte aufgrund der Verringerung der Marktwerte langfristiger Schulden und Forderungen in den Krisenjahren 2008 bis 2011 (weiß, schwarz umrandet).
Zieht man die drei genannten Posten von der Nettoauslandsposition ab, ergibt sich eine Restgröße, die grau gezeichnet ist. Diese Restgröße misst die Summe aus der Nettoauslandsposition des Jahres 1995 und der Summe der möglichen Umbewertungseffekte in der Zeit von 1996 bis 2007. Leider ist unter den Krisenländern nur für Spanien ein Wert der Nettoauslandsposition für das Jahr 1995 statistisch verfügbar, sodass sich diese Restgröße im Allgemeinen nicht mehr aufdröseln lässt.
Man sieht an den flächigen farbigen Säulenstücken, dass mit Ausnahme Italiens alle sechs Krisenländer schon vor der Krise auf die durch den Euro gesunkenen Zinsen mit einer Zunahme ihrer Außenschulden relativ zur Wirtschaftsleistung reagiert haben: Das flächige Säulenstück ist bei den GIPSZ-Ländern rot. Bei Italien ist es fast null (tatsächlich kaum sichtbar grün). Da die rechnerische Restgröße (die grauen Balken) bei den GIPS-Ländern (Griechenland, Irland, Portugal, Spanien) negativ ist, gibt es keine Anhaltspunkte für die Vermutung, dass diese Länder 1995 in einer Nettogläubigerposition waren und deshalb durch die Zinssenkungen belastet worden wären. Alles spricht dafür, dass es die Anreizwirkung der niedrigen Zinsen war, die die Auslandsverschuldung dieser Länder erzeugt hat.
Im Falle Spaniens, dem einzigen Land, für das eine statistische Information über die Nettoauslandsposition im Jahr 1995 verfügbar ist, ist dies sogar sicher. Die Nettoauslandsschulden dieses Landes betrugen damals 22 % des BIP des Jahres 1995 oder 9,2 % des BIP des Jahres 2011. Es ist also zu vermuten, dass Spanien erheblich durch die Zinskonvergenz, die die Ankündigung des Euro mit sich brachte, entlastet wurde. Spanien hätte es insofern also leichter gehabt, seine Auslandsschulden abzutragen. Stattdessen kam in der »guten« Zeit des Euro bis 2007 noch ein Schuldenzuwachs durch
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