Die Target-Falle: Gefahren für unser Geld und unsere Kinder (German Edition)
Leistungsbilanzdefizite in Höhe von 40 % des BIP des Jahres 2011 hinzu (flächiger roter Balken). Das relativiert die Annahme, Spanien habe Schuldendisziplin geübt. Diese Aussage stimmt für den Staat, aber sie stimmt nicht für die Gesamtwirtschaft, wenn man Staat und privaten Sektor zusammennimmt. Ganz im Gegenteil muss sich der private Sektor in dieser Phase über beide Ohren verschuldet haben,wenn durch Leistungsbilanzdefizite so viele neue Schulden hinzugekommen sind.
Der Anstieg der Auslandsschulden während der Krise, der vornehmlich aufgrund wegbrechender Steuereinnahmen zustande kam, wird durch die rot umrandeten Säulenstücke dargestellt. Man sieht, dass alle Krisenländer, auch Italien, von diesem Effekt betroffen waren. Überall wuchsen die Auslandsschulden ab dem Jahr 2008 noch kräftig an. Im Falle Griechenlands, Spaniens, Portugals und Zyperns war die Neuverschuldung während der Krise sogar riesig, was insofern verblüffend ist, als die Krise ja nun gerade durch die Weigerung der Kapitalmärkte, die betroffenen Länder weiter zu finanzieren, ausgelöst wurde. Eigentlich hätte man deshalb keine besondere Zunahme der Auslandsverschuldung mehr erwarten dürfen. Die Lösung dieses Rätsels bietet Kapitel 5.
Bemerkenswert ist, dass die Nettoauslandsschuld in der Krise auch noch durch zinsbedingte Umbewertungseffekte verändert wurde, die durch die schwarz umrandeten Balken dargestellt werden. Dabei handelt es sich um die Verringerung des Marktwertes von ausstehenden Schuldtiteln mit längeren Laufzeiten. Wenn die Zinsen für neue Schulden steigen, weil sich Misstrauen bezüglich der Rückzahlungsfähigkeit der Schuldner ausbreitet, verlieren die noch laufenden Schuldtitel, die einen niedrigen Nominalzins haben, naturgemäß an Wert. Der Wert fällt so weit, bis die Rendite für jemanden, der die alten Schuldtitel kauft, der effektiven Rendite der neu ausgegebenen Titel ähnelt. Für die Eigentümer der alten Vermögenstitel bedeutet das einen Vermögensverlust, und er wird in der Statistik über die Nettoauslandsposition erfasst. Ohne diesen Vermögensverlust, also bei einer Verbuchung der Vermögenstitel zum Nennwert, hätte Deutschland Ende 2011 ein Nettoauslandsvermögen von 48 % seines BIP gehabt. Tatsächlich waren es aber nur 36 %. Zwölf Prozentpunkte oder 307 Milliarden Euro waren also in der Krise schon durch Marktwertverluste verloren gegangen.
Abbildung 3.6: Die Komponenten der Nettoauslandsposition
* LB = akkumulierter Leistungsbilanzsaldo.
** Marktwertänderung der Forderungen und Verbindlichkeiten der Länder im Ausland.
Erläuterung: Die Zahlenwerte geben die Nettoauslandspositionen in Prozent des BIP der Euroländer Ende 2011 an. Sie werden durch die Gesamtlänge der Säulen bis zu der jeweiligen schwarzen Zahl angegeben. Die rote beziehungsweise grüne Zahl zeigt den Wert, den die Nettoauslandsposition ohne die Umbewertungseffekte während der Krise (2008–2011, schwarz umrandeter Balken) gehabt hätte. Die rot und grün umrandeten Balken verkörpern die akkumulierten Leistungsbilanzdefizite beziehungsweise -überschüsse während der Krise (2008–2011) und die flächig rot und flächig grün gezeichneten Balken die entsprechenden akkumulierten Leistungsbilanzsalden von 1996 bis 2007. Die grauen Balkenstücke zeigen die sich ergebende Restgröße. Sie misst die Nettoauslandsposition Ende 1995 zuzüglich möglicher Umbewertungseffekte in der Periode 1996—2007.
Quellen: Eurostat, Datenbank, Wirtschaft und Finanzen , Jährliche Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung und Zahlungsbilanz — Internationale Transaktionen, Zahlungsbilanzstatistiken nach Land; und Auslandsvermögensstatus; eigene Berechnungen.
Verwunderlich ist, dass dieser Effekt die griechischen Außenschulden dramatisch verringert hat. Das liegt daran, dass Eurostat, das europäische Statistikamt, Marktwertverluste nicht nur beim Gläubiger verbucht, sondern irritierenderweise auch beim Schuldner. Wenn der Markt zu dem Schluss kommt, dass ein Land seine Schulden nur noch mit geringer Wahrscheinlichkeit bedienen kann und deshalbseine Staatspapiere nur noch zu 20 % des Nennwertes handelt, wie es bei Griechenland der Fall war, 23 rechnen die Statistiker die griechische Außenschuld bereits in genau diesem Umfang herunter, obwohl das Land juristisch noch die volle Rückzahlungsverpflichtung hat. Folgt man dieser künstlichen und kaum nachvollziehbaren Methodik nicht, dann ergibt sich, wie durch die rote Zahl an
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