Die Target-Falle: Gefahren für unser Geld und unsere Kinder (German Edition)
allesamt in die Krisenländer geflossen sind, wie es Abbildung 2.6 suggeriert. Eine solche Interpretation wäre überzogen, denn die Kapitalmärkte sind ein System kommunizierender Röhren, innerhalb dessen komplexe Finanzströme über viele Stationen stattfinden, die sich nur schwer verfolgen lassen. So haben die deutschen Finanzinstitute, wie schon erwähnt, ihre Kredite wohl großenteils nach Frankreich und Italien verliehen, und vondort aus hat man dann Südeuropas Banken beliefert, die das Geld anschließend an die Staaten und Bauherren weitergereicht haben.
Wer aber die Exportüberschüsse, die durch die deutsche Flaute entstanden sind, als Zeichen besonderer Vorteile Deutschlands interpretiert, der ist entweder kein (guter) Volkswirt, oder er ist unaufrichtig. Er muss sich fragen lassen, ob er vielleicht nur mit billigen Argumenten an das Verantwortungsbewusstsein der deutschen Bevölkerung appellieren will, um die Zustimmung für weitere Rettungsaktionen zu gewinnen.
Interessanterweise gibt es Politiker, allen voran Christine Lagarde, die von Deutschland fordern, seine für die anderen Länder angeblich schädlichen Leistungsbilanzüberschüsse zu verringern und mehr öffentliche Rettungskredite zur Verfügung zu stellen. Das verschlägt einem den Atem. Rettungsaktionen dienen dazu, den Krisenländern das Kapital zur Verfügung zu stellen, das freiwillig über die privaten Kapitalmärkte nicht mehr zu kommen bereit ist. Sie sollen also den Kapitalimport der Krisenländer stärken. Aber das ist dann doch automatisch auch eine Verstärkung der Leistungsbilanzdefizite, und die will die Frau Lagarde gerade nicht! Man kann entweder den Kapitalimport und das Leistungsbilanzdefizit gemeinsam vergrößern, oder man kann beide Größen gemeinsam senken, aber man kann nicht die eine vergrößern und die andere verkleinern. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Frau Lagarde muss sich schon entscheiden, was sie eigentlich sagen will.
3 Seifenblasen in der Peripherie
Zinsen wie Deutschland — Entlastung der Staatsbudgets — Die Verlockung der niedrigen Zinsen — Das wahre Schuldenproblem — Die Blasen — Explosion der Immobilienpreise
ENTLASTUNG DER STAATSBUDGETS
Aber zurück zu den guten Jahren des Euro. Vielen Beitrittsländern ging es bei der Entscheidung für den Euro offenbar in erster Linie um die Entlastung bei den Zinsen, und diese Entlastung kam tatsächlich zustande. Alle heutigen Krisenländer haben davon massiv profitiert.
Betrachten wir das Beispiel Italien. Die italienische Zinslast als Anteil des BIP war in dem Zeitraum von 1985 bis 1995 erheblich angestiegen, von 8,4 % auf 11,5 %. Das hatte vor allem an der damals rapide steigenden Staatsschuldenquote Italiens gelegen, die von 82 % im Jahr 1985 auf 125 % im Jahr 1994 hochgeschnellt war. Die Ankündigung des Euro brachte aber die Wende. Nur fünf Jahre nach dem Gipfel von Madrid, im Jahr 2000, musste der italienische Staat nicht mehr 11,5 % wie 1995, sondern nur noch 6,3 % des BIP für den Zinsendienst aufwenden, und zehn Jahre später, im Jahr 2010, waren es nur noch 4,5 %. Die relative Zinslast fiel wegen der Zinskonvergenz, aber auch wegen einer immer noch hohen Inflationsrate, die das BIP nominell aufblähte. Abbildung 3.2 verdeutlicht diesen Vorteil.
In Griechenland war die Situation, wie die Abbildung zeigt, ganz ähnlich. Die griechische Kurve überlappt sich auf weiten Strecken mit der italienischen, was eine beängstigende Parallele ist. Die griechische Zinslastkurve müsste sich angesichts des rapiden Anstiegs der griechischen Zinssätze am aktuellen Rand noch viel stärker ausspreizen, als sie es tut. Indes haben zinsverbilligte Kredite der Staatengemeinschaft und der EZB, wie noch zu zeigen sein wird, diese Entwicklung erheblich abgebremst.
Abbildung 3.2: Zinslasten ausgewählter Euroländer (1985–2011)
* Anteilige Zinslast des deutschen Staates und öffentliche Nettotransfers von West- nach Ostdeutschland.
Bemerkung: Westdeutschland beinhaltet die alten Bundesländer ohne Berlin.
Quellen: Eurostat, Datenbank, Wirtschaft und Finanzen , Jährliche Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen; und Sektor Staat, Jährliche Finanzstatistiken des Staates, Staatseinnahmen, -ausgaben und Hauptaggregate; OECD, iLibrary , National Accounts, Main Aggregates; und M. Kloß, R. Lehmann, J. Ragnitz und G. Untiedt, »Auswirkungen veränderter Transferzahlungen auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der ostdeutschen Länder«, ifo
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