Die Target-Falle: Gefahren für unser Geld und unsere Kinder (German Edition)
leiht.
Die großzügige Gewährung von Refinanzierungskrediten durch die EZB war ein voller Erfolg. Sie hat dazu beigetragen, zwischen den gesunden Banken der soliden Länder sehr rasch wieder das füreinen funktionierenden Interbankenmarkt nötige Vertrauen herzustellen. Schon wenige Monate nach dem Beginn der Maßnahmen, um die Jahreswende 2008/2009, kam der Interbankenmarkt wieder in Gang, sodass die Maßnahmen entbehrlich wurden.
Trotzdem beruhigte sich die Situation in den peripheren Ländern der Eurozone nicht. Das Vertrauen in die Solidität dieser Länder war nachhaltig gestört, weil der Blick der Anleger in der Krise auf die exorbitanten Staatsschulden und Außenschulden gelenkt worden war. Da sich die Geschäftsbanken, wie erläutert, wegen des fehlenden Zwangs, Staatskredite mit Eigenkapital zu unterlegen, mit Staatspapieren vollgepumpt hatten, wurden sie zunehmend als gefährdet angesehen. Sie mussten daher immer höhere Zinsen für die Interbankenkredite zahlen, die sie sich in Deutschland und anderen Ländern, die über einen Sparüberschuss über die Investitionen verfügten, besorgten. Das erhöhte die Nachfrage nach billigen Refinanzierungskrediten der eigenen Zentralbanken beständig, und die EZB kam zunehmend unter Druck, ihre aus der akuten Not geborenen Hilfsprogramme trotz des weltweiten Konjunkturaufschwungs, der im Sommer 2009 einsetzte, aufrechtzuerhalten.
So hatte die EZB zwar mehrfach angekündigt, zu bestimmten Terminen zu ihrer normalen Geldpolitik zurückzukehren, verschob diese Termine dann aber doch immer wieder und verzichtete zum Schluss gänzlich auf eine Befristung ihrer Programme. Der letzte Ausstiegstermin verstrich im Dezember 2009, ohne dass ein neuer Termin verkündet wurde.
Während die EZB-Politik grundsätzlich für den gesamten Euroraum angelegt war und keine Sondermaßnahmen zugunsten einzelner Länder vorsah, wirkte sie nach der Überwindung des Lehman-Schocks dennoch wie eine Spezialmaßnahme zur Finanzierung der peripheren Länder Europas, denn nur dort hielten die allgemeinen Finanzierungsengpässe an. Es handelte sich damit nicht mehr um eine Politik zur allgemeinen Krisenbekämpfung, sondern um eine gestalterische Maßnahme zugunsten der peripheren Länder, die die Selbstkorrektur der Kapitalmärkte unterlief, die sich aus Angst vor der Überschuldung aus den peripheren Ländern zurückziehen wollten. Die EZB bot diesen Volkswirtschaften, staatlichen und privaten Sektoren gleichermaßen, die Möglichkeit, die Mittel, die sie sich auf dem Kapitalmarkt nicht oder nur noch zu hohen Zinsen hätten leihen können, günstig aus dem EZB-System zu beziehen, sich also quasi mit der Notenpresse, über die sie ja alle verfügten, selbst zu finanzieren.
Begriffe wie Notenpresse, Geld drucken oder Geld schreddern sind in diesem Buch übrigens meist als Metapher gemeint, denn das zusätzliche Zentralbankgeld wird in der Regel nicht als zusätzliches Papiergeld zur Verfügung gestellt, sondern als Buchgeld, konkret als Sichtguthaben der Geschäftsbanken auf den Konten, die sie bei ihren nationalen Zentralbanken unterhalten. 29
Wie noch zu zeigen sein wird, haben sich die peripheren Staaten auch schon vor der Lehman-Krise, seit dem Herbst des Jahres 2007, in gewissem Umfang der Notenpresse bedient. Es gab zwar damals noch nicht die Vollzuteilungspolitik. Das Zentralbankgeld wurde vielmehr gegen das höchste Zinsgebot im Euroraum versteigert. Aber da für die Banken der peripheren Länder die Zinsen am Interbankenmarkt anstiegen, während sich die Banken der Kernländer dort nach wie vor billig finanzieren konnten, waren die Banken der peripheren Länder stets bereit, ihre Wettbewerber aus den Kernländern zu überbieten, was ihnen schon zu minimalen Zinsaufschlägen gelang. Noch einfacher kamen die Banken der peripheren Länder dann ab Herbst 2008 nach der Einführung der Vollzuteilungspolitik an das gewünschte Geld heran, denn nun wurde der Zinssatz von der EZB gesetzt, und zu diesem Zinssatz konnten sie sich so viel neues Geld über Refinanzierungskredite von ihrer jeweiligen nationalen Notenbank besorgen, wie sie wollten – vorausgesetzt, sie konnten die dafür benötigten und von der EZB festgelegten Pfänder hinterlegen.
Faktisch war die Refinanzierungspolitik der EZB ein Rettungsprogramm für die peripheren Volkswirtschaften, das den Rettungsprogrammen der Staatengemeinschaft, mit denen im Mai 2010 begonnen wurde, um zweieinhalb Jahre vorausging. Wenn dieses Buch
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