Die Target-Falle: Gefahren für unser Geld und unsere Kinder (German Edition)
erscheint (Herbst 2012), wird sich die Eurozone bereits am Ende des fünften Jahres der öffentlichen Kredithilfen für Länder der Peripherie des Euroraums befinden.
Die Möglichkeit der Selbstbedienung mit der Notenpresse hatten die heute zum Euroraum gehörenden Länder früher auch schon, denn vor dem Euro waren sie ja in der Geldpolitik autonom. Nur mussten sie, als sie noch ihre eigenen Währungen hatten, davon ausgehen, dass es im Falle einer exzessiven Finanzierung über die Notenpresse eine Inflation und Abwertung der Währung geben würde, sodass sie ihre Kaufkraft im Ausland auf diese Weise nicht steigern konnten. Der »Vorteil« des Euro ist indes, dass man im Innenverhältnis keine Abwertung befürchten muss, wenn man die eigene Notenpresse exzessiv betätigt, denn es gibt ja keinen Wechselkurs mehr. Außerdem gleicht, wie noch zu zeigen sein wird, die zusätzliche Geldschöpfung einer Notenbank die verminderte Geldschöpfung anderer Notenbanken aus, sodass nicht einmal eine besondere Inflationsgefahr besteht. So konnte man also trotz des Platzens der Kreditblase und der Verweigerung der privaten Kapitalanleger die Leistungsbilanzdefizite auf elegante Weise weiter finanzieren und brauchte seinen Lebensstandard nicht einzuschränken.
Nun wird sich der Leser fragen, ob das so stimmen kann. Ist es tatsächlich möglich, dass die nationalen Notenbanken des Euroraums so viel Geld drucken und dann an die heimische Wirtschaft und den Staat verleihen können, wie sie wollen? Gibt es denn keine Kontingente, durch die die Geldschöpfung an die Größe der Länder gebunden wird, nach dem Motto »kleines Land, kleine Notenpresse – großes Land, große Notenpresse«? Es kann doch nicht sein, dass sich die Südländer bei Bedarf das Geld drucken können, das sie sich nicht mehr günstig leihen können, und dann einfach so weitermachen wie bislang!
Die Antwort ist leider, dass sie es doch können. Eine Kontingentierung der Geldschöpfung nach der Größe der Länder gibt es in den Statuten der EZB oder den europäischen Verträgen nicht.
Es gibt allerdings eine indirekte Proportionierung der Geldschöpfung nach der Größe insofern, als die Geschäftsbanken, die das frisch gedruckte Geld ausleihen wollen, dafür, wie erwähnt, Pfänder in Form von Forderungstiteln wie zum Beispiel Staatspapieren oder auch privaten Schuldverschreibungen hinterlegen müssen. Da man annehmen kann, dass ein kleines Land über nicht so viele Pfänder wie ein großes verfügt, liegt hierin eine gewisse, indirekte Beschränkung für die Gelddruckerei. Indes hat der EZB-Rat, der die Regeln für die zulässigen Pfänder definiert, alles getan, um nun auch diese Beschränkung aufzuheben.
6 Die europäische Zahlungsbilanzkrise
Irrelevante Salden? — Die Target-Salden und Zahlungsbilanzungleichgewichte — Die Explosion der Target-Salden — Warum die Target-Salden Kredite messen — Target-Salden als öffentlicher Kapitalexport — Selbstbedienung mit der Notenpresse
DIE TARGET-SALDEN UND ZAHLUNGSBILANZUNGLEICHGEWICHTE
Target ist der Name des Zahlungssystems, über das die internationalen Zahlungen zwischen Banken im Euroraum abgewickelt werden. Er ist das Akronym eines komplexen Ausdrucks, den man am besten sofort wieder vergisst, wenn man ihn gehört hat, weil er nichts zum Verständnis beiträgt. 11 Das Target-System transferiert und misst die Geldüberweisungen zwischen den nationalen Notenbanken der Euroländer aufgrund von internationalen Überweisungsaufträgen, die private und öffentliche Finanzinstitute ihren jeweiligen Geschäftsbanken geben. Ein Target-Defizit einer nationalen Notenbank ist ein Nettoabfluss an Eurogeld in ein anderes Land oder das, was die Ökonomen ein Zahlungsbilanzdefizit nennen. Entsprechend ist ein Target-Überschuss ein Nettozufluss an Eurogeld von anderen Ländern oder ein Zahlungsbilanzüberschuss. 12
Manchmal wird statt von Target von Target2 gesprochen, um die zweite, im Jahr 2007 betretene Entwicklungsstufe des ursprünglichen Zahlungssystems zu kennzeichnen, das einfach nur Target hieß. Aber das betont einen Aspekt, auf den es gar nicht ankommt. Die Unterschiede zwischen dem ersten Target-System und dem zweiten sind nur technischer Natur und haben nichts mit der ökonomischen Interpretation der Salden als Zahlungsbilanzungleichgewichte zu tun. 13
Im Target-System wird nur der elektronische Geldverkehr, also die internationalen Geldüberweisungen, erfasst. Über die physischen
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