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Die Target-Falle: Gefahren für unser Geld und unsere Kinder (German Edition)

Die Target-Falle: Gefahren für unser Geld und unsere Kinder (German Edition)

Titel: Die Target-Falle: Gefahren für unser Geld und unsere Kinder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Werner Sinn
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sich eine Bank das Geld, das sie selbst an ihre Kunden verleiht, von den Sparern oder von anderen Finanzinstituten, die es sich zuvor bei den Sparern geliehen haben. Das Geld kommt also aus der privaten Wirtschaft und fließt wieder dahin zurück. Das Problem ist nur, dass in einer wachsenden Wirtschaft ein immer größerer Bestand an Geld für die allgemeinen Transaktionen benötigt wird, weil immer ein Teil des Geldes unterwegs ist und in irgendwelchen Portemonnaies temporär herumliegt. Daher muss jedes Jahr in Proportion zur nominal wachsenden Wirtschaftsleistung zusätzliches Geld geschaffen und über einen Verleih an die Geschäftsbanken in den privaten Geldkreislauf gebracht werden. Der Bestand an Refinanzierungskrediten, der hinter der wachsenden, in der Wirtschaft zirkulierenden Zentralbankgeldmenge steht, muss also ständig erhöht werden. Das verschafft der Notenbank laufend mehr Zinseinnahmen, die sie dann an den Staatsetat abführen muss.  26
    Auch in einer wirtschaftlichen Krise, die mit einem Vertrauensverlust zwischen Gläubigern und Schuldnern verbunden ist, wird neues Geld von der Notenbank benötigt, denn die Gläubiger horten ihr Geld lieber, statt es weiterzuverleihen, weil sie Angst haben, es von ihren Schuldnern nicht zurückzubekommen. Das Horten von Geld ist aber Gift für die Konjunktur, weil im Umfang der zusätzlichen Horte Geld für Investitionsgüterkäufe fehlt, die sonst hätten finanziert werden können. Also muss eine Notenbank in der Krise so viel Geld zusätzlich herstellen und verleihen, wie in die Horte fließt.
    Das Horten ist insbesondere dann ein Problem, wenn das Geld des Sparers über viele Stufen laufen muss, bis es beim endgültigen Kreditnehmer angelangt ist, der damit reale Güterkäufe finanzieren möchte. Im Falle eines allgemeinen Vertrauensverlustes werden gleichzeitig viele Geldhorte auf einmal gefüllt. Auf jeder Stufe des Kreditflusses vom Sparer zum Endinvestor verschwindet Geld in den Horten, sodass beim Endinvestor kaum noch etwas ankommt. So entsteht aus einer Finanzkrise eine reale Wirtschaftskrise, die in einer Massenarbeitslosigkeit enden kann, wenn man nicht aufpasst. Der Interbankenmarkt ist ein solches System mit vielen Stufen. Durch das plötzliche Horten von Geld ist er temporär im August2007 zusammengebrochen und dann ganz massiv nach der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers im September 2008. Die Auswirkungen auf die Realwirtschaft waren verheerend. Sie führten die Weltwirtschaft im Jahr 2009 in die schlimmste Rezession der Nachkriegszeit.
    Die EZB hat das in die Horte wandernde Geld in der Krise aber nachzufüllen versucht, erst etwas zögerlich, dann in größerem Umfang. Bis auf eine direkte Intervention am 9. August 2007 und den danach folgenden Tagen, bei der sie den Geschäftsbanken über Nacht unbegrenzt Liquidität zur Verfügung stellte,  27 hat sie sich anfangs auf die normalen Refinanzierungsmöglichkeiten verlassen, die den Banken offenstanden. Als sich die Krise aber verschärfte und der Interbankenmarkt nach der Lehman-Pleite zusammenbrach, setzte sie ein umfangreiches Programm der »erweiterten Maßnahmen zur Unterstützung der Kreditvergabe« (Enhanced Credit Support) auf, mit dem sie die Märkte flutete.  28 Nachdem sie bislang stets nur begrenzte Kontingente an Zentralbankgeld versteigert hatte, erlaubte sie den Banken ab Oktober 2008, unbegrenzt Refinanzierungskredite zu einem Zins von nur einem Prozent von ihrer jeweiligen Heimat-Notenbank zu beziehen, wenn sie die entsprechenden Kreditsicherheiten vorweisen konnten. Sie nannte das Vollzuteilungspolitik (full allotment policy).
    Die Maßnahmen boten den Banken einen Ersatz für den wegbrechenden Interbankenmarkt. Statt sich ihr Geld bei anderen Banken zu leihen, die es nicht mehr hergeben wollten, holten die Schuldnerbanken das Geld von ihrer jeweiligen nationalen Notenbank.
    Zur Komplettierung des Programms erlaubte die EZB den Banken, die Geld zu verleihen hatten, es gegen einen mäßigen Zins direkt bei ihr anzulegen, anstatt es auf ihrem Girokonto zinslos zu horten. Die EZB deklarierte sich mit dieser Politik zum Vermittler zwischen Gläubigern und Schuldnern, der die Kredite durch seine Bücher leitet, um die Sicherheit der Kreditgeschäfte zu gewährleisten. Das ist allerdings nur eine heuristische Beschreibung des Geschehens, denn der Geldverleih des EZB-Systems an die eine Bank ist in keiner Weise davon abhängig, wie viel es sich selbst von der anderen Bank

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