Die Target-Falle: Gefahren für unser Geld und unsere Kinder (German Edition)
implizite Schutzversprechen, das die Länder der Eurozone aus der Sicht der Kapitalmärkte mit ihrem politischen Verbund gegeben hatten. Sicher, man wusste um das Beistandsverbot des Maastrichter Vertrages, 22 doch man glaubte, dass die starken Länder letztlich doch nicht umhinkommen würden, die schwachen zu retten, wenn es zu Insolvenzen einzelner Staaten und deren Bankensystemen käme. Man hatte immer eine gewisse Angst vor der Insolvenz einzelner Banken, weil man sich nie sicher sein konnte, ob die politische Relevanz für Rettungsaktionen hoch genug sein würde, doch hielt man es für unvorstellbar, dass Staaten der Eurozone in die Insolvenz gehen könnten.
Dieser Glaube war insofern nicht irrational, als ja die EZB auf jeden Fall zur Rettung mit billigen Refinanzierungskrediten zur Verfügung stand. Selbst wenn die Staaten nicht geholfen hätten, was sie dann letztlich doch taten, gab es hier eine Institution, die mit einer unbegrenzten Feuerkraft ausgestattet war, die riesige Geldsummen ins Schaufenster legen konnte, um Liquiditätskrisen zu vermeiden. Das wird in Kapitel 7 im Abschnitt Der Target-Kredit lag im Schaufenster noch näher ausgeführt.
Die EZB hat durch ihre bloße Existenz geholfen, zehn Jahre Ruhe zu schaffen und die Zinsen im Euroraum anzugleichen. Zehn Jahre lang reichte es tatsächlich aus, das Geld im Schaufenster zu zeigen. Nur bewirkte leider genau das überzogene Vertrauen, das man so produzierte, die Entstehung der inflationären Blasen, die später platzten und dann doch dazu führten, dass das Geld aus dem Schaufenster genommen wurde.
Dies zeigt das Dilemma bei der Konstruktion des Eurosystems auf. Auf der einen Seite will man Wechselkursstabilität. Dazu braucht man die unbegrenzte Feuerkraft des EZB-Systems. Auf der anderen Seite will man eine sparsame Haushaltsführung ohne Verschuldungsexzesse bei allen Beteiligten. Dafür braucht man enge Budgetbeschränkungen und Zinsspreizungen nach der Bonität der Schuldner. Der Spagat zwischen diesen beiden divergierenden Zielen ist dem Eurosystem offenkundig nicht gelungen. Die Budgetbremsengriffen nicht rechtzeitig genug, der Zug erhielt zu viel Fahrt und entgleiste zum Schluss.
Die meisten europäischen Politiker haben diese Problemlage gar nicht erkannt und hatten offenbar nur die kurzfristigen Vorteile für ihre Länder im Blick. Und diejenigen, die sie erkannt hatten, trösteten sich mit der Hoffnung, der Stabilitäts- und Wachstumspakt werde mit seinen Schuldengrenzen schon rechtzeitig greifen. Diese Hoffnung war aber trügerisch, denn erstens wurden sie von den amtierenden Politikern nicht ernst genommen, und zweitens waren sie ja ohnehin völlig machtlos gegen die exzessive Verschuldung im privaten Sektor, die im Zentrum der Krise steht, wie das spanische und irische Beispiel beweisen. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt war ein Placebo, das man den Deutschen zu ihrer Beruhigung gab, während man den Banken mit der Verzerrung der Basel-Regulierung und dem impliziten Schutzversprechen der Europäischen Zentralbank gleichzeitig unter dem Tresen Aufputschmittel zuschob, die sie außer Rand und Band gerieten ließen.
5 Der weiße Ritter
Der Crash — Staatsanleihenkäufe durch die Notenbanken — Umgehung des Maastrichter Vertrages — Vergeblicher Protest — Bundesregierung contra Bundesbank — Auf die Refinanzierungskredite kommt es an — Die Absenkung der Sicherheitsstandards
DER CRASH 1
Zur Entgleisung des europäischen Zuges, der ohne wirksame private und öffentliche Schuldenbremsen dahinraste, kam es, als die amerikanische Finanzkrise die europäischen Banken erreichte. Die Abschreibungsverluste auf toxisch gewordene amerikanische Wertpapiere beraubten die europäischen Banken ihres Eigenkapitals und der Illusion, dass die AAA-Ratings Sicherheit bedeuten. Die zunehmende Zahl strauchelnder Banken trug erheblich zur Verunsicherung bei. Deshalb änderten sich vom Sommer 2007 an auch die Risikoeinschätzungen für die Wertpapiere der europäischen Peripherie und die Bereitschaft, diese Papiere zu halten, wie es in den wachsenden Zinsspreizungen jener Zeit zum Ausdruck kam (vgl. Abbildung 3.1 ).
Die vielen Bankpleiten waren besonders spektakulär. Nachdem die EZB im August 2007 den ersten kleinen Kollaps des Interbankenmarktes durch die großzügige Bereitstellung von Liquidität geheilt hatte, kam es ab September 2007 zu einem ersten Bank Run bei der britischen Bank Northern Rock. Die Schwierigkeiten derBank, sich
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